Rz. 72

Wird die Klage aufgrund einer unzutreffenden Ermittlung des Streitwerts zunächst vor dem Landgericht erhoben und verweist dieses den Rechtsstreit wegen fehlender sachlicher Zuständigkeit gemäß § 281 Abs. 1 ZPO an das Amtsgericht, ist nach einer Entscheidung des VI. Senats die Klage auch ohne Durchführung eines Schlichtungsverfahrens als zulässig zu behandeln. Eine andere Auslegung liefe dem Sinn und Zweck des § 281 Abs. 1 ZPO zuwider, der darin bestehe, im Interesse der Prozessökonomie einer Verzögerung und Verteuerung der Verfahren durch Zuständigkeitsstreitigkeiten vorzubeugen und die Vorteile der Rechtshängigkeit zu sichern.[115] Diese Entscheidung ist insoweit bemerkenswert, als sie sich (bezogen auf § 281 Abs. 1 ZPO) auf prozessökonomische Gründe stützt.[116] Immerhin hat der BGH ansonsten fortwährend betont, dass prozessökonomische Überlegungen die gesetzlich vorgeschriebene Durchführung eines Schlichtungsverfahrens selbst dann nicht entbehrlich machen, wenn bereits Klage erhoben ist.[117]

 

Rz. 73

Zu beachten ist allerdings, dass sich der vom BGH entschiedene Sachverhalt auf ein Schlichtungsgesetz bezog, das auch bei Nachbar- und Ehrverletzungsstreitigkeiten allein für die Verfahren vor den Amtsgerichten die vorherige Durchführung eines Schlichtungsverfahrens als obligatorisch ansah (§ 1 Abs. 1 BWSchlG a.F.). Sieht ein Schlichtungsgesetz wegen Verletzungen der Ehre oder in nachbarrechtlichen Streitigkeiten dagegen auch vor dem Landgericht ein Schlichtungsverfahren vor (vgl. Rdn 13, 30, 41), wäre die Klage als unzulässig abzuweisen gewesen.

[115] BGH, Urt. v. 30.4.2013 – VI ZR 151/12, NJOZ 2013, 1816 Rn 6 ff.; a.A. noch die Vorinstanz LG Stuttgart, Urt. v. 7.3.2012 – 3 S 91/11, BeckRS 2012, 09265.
[116] Deckenbrock/Jordans, MDR 2013, 945, 947.
[117] Siehe insbesondere BGH, Urt. v. 23.11.2004 – VI ZR 336/03, BGHZ 161, 145, 150 f. = NJW 2005, 437, 439.

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