Rz. 83
Nach der Rechtsprechung kann es notwendig sein mehrere gleichgelagerte Abmahnungen auszusprechen, um die Voraussetzungen für eine zulässige verhaltensbedingte Kündigung zu erfüllen. Allerdings kann eine Abmahnung auch ihre Funktion, den Arbeitnehmer vor einer wegen seines Fehlverhaltens drohenden Kündigung zu warnen (Warnfunktion), nur dann erfüllen, wenn der Arbeitnehmer erkennen muss, dass der Arbeitgeber diese Warnung auch ernst meint.
Rz. 84
Die Warnfunktion einer Abmahnung kann erheblich abgeschwächt werden, wenn der Arbeitgeber bei wiederholten gleichgelagerten Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers stets zwar mit einer Kündigung droht, dann aber doch wieder nur eine weitere Abmahnung folgen lässt. Eine Abmahnung kann nur dann die Funktion erfüllen, den Arbeitnehmer dahingehend zu warnen, dass ihm bei der nächsten gleichartigen Pflichtverletzung die Kündigung droht, wenn der Arbeitnehmer diese Drohung auch ernst nehmen muss. Dies kann je nach den Umständen ausgeschlossen sein, wenn jahrelang die Kündigung stets nur angedroht wurde. Es handelt sich dann um eine leere Drohung. Bei der Frage, ob eine Abmahnung entgegen ihrem Wortlaut der ernsthaft gemeinten Warnung entbehrt, ist insbesondere die Zahl der vorausgegangenen Abmahnungen von Bedeutung.
Rz. 85
In Anwendung dieser Grundsätze verweist das Bundesarbeitsgericht zunächst auf die im Arbeitsleben verbreitete Praxis, bei als leichter empfundenen Vertragsverstößen einer Kündigung mehrere, häufig drei Abmahnungen vorausgehen zu lassen. Insoweit kann daher in aller Regel nicht bereits die dritte Abmahnung als entwertet angesehen werden. Zudem liegt es in der Natur der Sache, dass Drohungen nicht immer sofort wahrgemacht werden müssen. Allein aus dieser Unsicherheit kann daher nicht auf den fehlenden Ernst von Abmahnungen geschlossen werden. Auch geht das Bundesarbeitsgericht davon aus, dass gerade der ruhige und verständig abwägende, im Zweifel eher zur Nachsicht neigende Arbeitgeber nicht benachteiligt werden darf.
Rz. 86
Praxishinweis
Bei wiederholten Abmahnungen mit Ausbleiben der angedrohten Kündigungskonsequenz sollte stets genau auf die inhaltliche Formulierung der Abmahnung geachtet werden. Bei wiederholten Pflichtverletzungen und Abmahnungen sollte der Arbeitgeber das Ende der bisher gezeigten Nachsicht deutlich machen. Dies kann bspw. durch ein unter Zeugen geführtes eindringliches Abmahnungsgespräch dokumentiert werden, zum anderen können auch schriftliche Abmahnungen unter eindeutiger Benennung der bisherigen Abmahnungen ("Durchnummerierung") und mit eindringlichem hervorgehobenen Text als "letztmalige Abmahnung" bezeichnet und ausgehändigt werden.