Bernd Kuckenburg, Renate Perleberg-Kölbel
Rz. 123
Das Familienrecht unterscheidet das unterhalts- und das steuerrechtliche Einkommen.
Definitionen:
Das Unterhaltseinkommen einerseits definiert sich aus der Summe der Unterhaltseinkünfte abzüglich von Vorsorgeaufwendungen und Einkommensteuer.
Die Unterhaltseinkünfte ermitteln sich aus der Summe des auf steuerlichen Einkünften basierenden unterhaltsrechtlichen modifizierten Einkommens.
Darüber hinaus umfasst das unterhaltsrechtlich relevante Einkommen auch die weiteren dem Unterhaltsschuldner zufließenden Einkünfte und geldwerten Vermögensvorteile wie Wohnvorteil und etwaiges fiktives Einkommen.
Nach § 2 Abs. 2 EStG unterscheidet das Steuerrecht zwischen Gewinneinkünften und Überschusseinkünften. Letztere ermitteln sich aus dem Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten.
Rz. 124
Gewinneinkünfte sind:
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Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft nach § 13 EStG |
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Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 15 EStG |
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Einkünfte aus selbstständiger Arbeit nach § 18 EStG |
Rz. 125
Überschusseinkünfte sind:
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Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit nach § 19 EStG |
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Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 EStG |
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Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 EStG |
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Sonstige Einkünfte i.S.d. § 22 EStG |
Man spricht von Verlust oder negativen Einkünften, wenn sich ein negativer Betrag ergibt.
Rz. 126
▪ Liebhaberei
Beabsichtigen Steuerpflichtige langfristig keinen Gewinn bzw. keinen Überschuss zu erzielen, spricht man von Liebhaberei (Hobby).
Das Institut der Liebhaberei (vgl. Rdn 675 zu V&V) wird im Steuerrecht zur Überprüfung der Frage herangeführt, ob negative Einkünfte mit positiven Einkünften verrechnet oder ausgeglichen werden können.
Diese Fragestellung ist natürlich auch im Unterhaltsrecht von Relevanz, weil steuerlich nicht abzugsfähige Verluste auch unterhaltsrechtlich keine Rolle spielen können.
Der unterhaltsrechtliche Sachbearbeiter muss sich bei negativen Einkünften deshalb stets die Frage stellen, ob eine steuerrechtliche Liebhaberei vorliegt.
Definition: Im Steuerrecht spricht man von Liebhaberei, wenn es an einer Gewinnerzielungsabsicht fehlt, weil die entsprechenden Tätigkeiten häufig auch aus persönlicher Neigung (Hobby) ausgeübt werden (subjektives Tatbestandsmerkmal). Neben dieser Ausübung der Tätigkeit aus persönlicher Neigung muss auch ein objektiver Umstand der mehrjährigen Verlusterzielung vorliegen. Das Tatbestandsmerkmal der Gewinnerzielungsabsicht ist in § 15 Abs. 2 EStG normiert und ist in anderen Einkunftsarten ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal.
Typische Beispiele sind Verluste im Zusammenhang mit der Unterhaltung von Flugzeugen, Yachten, Ferienhäusern und der Jagd.
Rechtsfolge ist das Verbot der Verrechnung mit positiven Einkünften.
Beispiel
Ein Steuerberater hat seine Beratungskanzlei an seine Söhne übertragen und sich nur Mandate "vorbehalten", die erfahrungsgemäß nicht zu Gewinnen führen.
Lösung
Erzielt ein Steuerberater über einen längeren Zeitraum Verluste und kann nach der Art der Betriebsführung nicht davon ausgegangen werden, dass die Kanzlei aus der Verlustzone herauskommt und nachträglich Gewinne erzielt, ist die Tätigkeit als Liebhaberei zu bewerten, mit der Folge, dass die Verluste steuerlich nicht anerkannt werden.
Beispiel
Ein Rechtsanwalt hat über 20 Jahre Verluste von über einer Million DM erzielt.
Lösung
"Ein Rechtsanwalt betreibt auch dann seine Kanzlei in Gewinnerzielungsabsicht, wenn er seit 20 Jahren nur Verluste in Höhe von insgesamt einer Million DM erzielt. Denn ein Unternehmen dieser Art ist regelmäßig nicht dazu bestimmt und geeignet, der Befriedigung persönlicher Neigungen oder der Erlangung wirtschaftlicher Vorteile außerhalb der Einkommenssphäre zu dienen".
Nach BFH ist die anwaltliche Tätigkeit also kein "Vergnügen"!
Diese Entscheidung ist im Hinblick auf das objektive Tatbestandsmerkmal der Liebhaberei eindeutig falsch und deshalb "leider" vom BFH später aufgegeben worden.
Rz. 127
Hinweis
Was steuerrechtlich als Liebhaberei einzuschätzen ist, kann mit positiven Einkünften unterhaltsrechtlich selbstverständlich nicht verrechnet werden. Ob eine Liebhaberei vorliegt, ist einem ggf. vorliegenden Betriebsprüfungsbericht (Auskunfts- und Beleganspruch) zu entnehmen. Unabhängig davon und darüber hinaus hat bei der Ermittlung des Unterhaltseinkommens eine autonome Überprüfung durch den Familienrechtler zu erfolgen. Problematisch ist der Umfang des Prognosezeitraums (z.B. bei der Einkommensart Vermietung und Verpachtung mit 30 Jahren). Bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung ist es zudem zulässig, den Mietzins für Verwandte auf 60 % der ortsüblichen Miete zu senken, was naturgemäß leicht zu Verlusten führen kann. Bei negativer Prognose kann Teilentgeltlichkeit vorliegen. Bei der Einkunftsart Landwirtschaft und Forsten kann beispielsweise bei einer Aufforstung mit Eichen erst mit der Abholzung und Nutzbarmachung nach ca. 100 Jahren mit positiven Einkünften gerechnet werden.
Rz. 128
Die Qualifizierung als Liebhabereibetrieb hat auch Auswirkung auf die V...