Bernd Kuckenburg, Renate Perleberg-Kölbel
Rz. 439
Unterhaltsrelevanz
Insbesondere bei gesteigerter Leistungsverpflichtung nach § 1603 BGB stellt sich immer wieder die Frage nach der Aufdeckung stiller Reserven.
Beispiel
Die Fertigungshalle der Unterhaltsschuldner-GmbH hat einen Buchwert von 100.000 EUR.
Das Gebäude brennt ab und die Versicherung zahlt eine Entschädigung in Höhe von 250.000 EUR. Was geschieht mit der aufgedeckten stillen Reserve in Höhe von 150.000 EUR?
Sie kann erfolgsneutral in die Rücklage für Ersatzbeschaffung eingestellt werden.
Buchführende Land- und Forstwirte, Gewerbetreibende und selbstständig Tätige, die ihren Gewinn durch Vermögensvergleich ermitteln, können unter bestimmten Voraussetzungen eine Gewinnverwirklichung aus der Aufdeckung stiller Reserven durch Übertragung dieser stillen Reserven auf ein Ersatzwirtschaftsgut vermeiden.
Rz. 440
Voraussetzung sind nach R 6.6 EStR 2012:
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unfreiwilliges Ausscheiden eines Wirtschaftsgutes des Anlage- oder Umlaufvermögens aus dem Betriebsvermögen infolge höherer Gewalt oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs, wobei ein Ausscheiden gegen Entschädigung zur Aufdeckung stiller Reserven führen muss |
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Anschaffung oder Herstellung eines funktionsgleichen Wirtschaftsguts (Ersatzwirtschaftsguts) innerhalb einer bestimmten Frist |
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das Ersatzwirtschaftsgut erfüllt dieselbe oder eine entsprechende Aufgabe wie das ausscheidende Wirtschaftsgut |
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Berücksichtigung stiller Reserven auch im handelsrechtlichen Jahresabschluss |
In diesen Fällen können die aufgedeckten stillen Reserven (Entschädigung abzüglich Buchwert des ausgeschiedenen Wirtschaftsgutes) auf ein funktionsgleiches Wirtschaftsgut übertragen werden. Eine Entschädigung (Brandentschädigung, Enteignungsentschädigung, Zwangsveräußerungserlös) liegt nur vor, soweit sie für das ausgeschiedene Wirtschaftsgut als solches geleistet worden ist. Entschädigungen für Folgeschäden (z.B. Aufräumkosten, Umzugskosten) sind bei der Ermittlung der stillen Reserven nicht zu berücksichtigen.
Der Gewinn kann in eine steuerfreie "Rücklage für Ersatzbeschaffung" eingestellt werden, wenn eine Ersatzbeschaffung geplant ist. Im Zeitpunkt der Ersatzbeschaffung ist die Rücklage aufzulösen und das Ersatzwirtschaftsgut mit den Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten abzüglich des Betrags der aufgelösten Rücklage zu aktivieren. Der sich dann ermittelnde Betrag ist Bemessungsgrundlage für die AfA. Ist die Ersatzbeschaffung nicht ernsthaft geplant und zu erwarten, ist die Rücklage aufzulösen und voll zu versteuern.
Die Rücklage ist ebenfalls gewinnerhöhend aufzulösen, wenn bis zum Schluss des ersten, bei einem Grundstück oder Gebäude am Schluss des zweiten, auf ihre Bildung folgenden Jahres ein Ersatzwirtschaftsgut weder angeschafft noch hergestellt oder bestellt worden ist (Die Frist kann verlängert werden, R 6.6 Abs. 4 S. 4 EStR 2012).
Ähnlich verfahren dürfen Einnahme-/Überschussrechner, die aber keinen Sonderposten bilden können. Die durch eine Entschädigungsleistung offen gelegte stille Reserve wird in der Weise auf das Ersatzwirtschaftsgut übertragen, dass sie im Wirtschaftsjahr der Ersatzbeschaffung von den Anschaffung- und Herstellungskosten des Ersatzwirtschaftsguts sofort abgesetzt wird. Der verbleibende Restbetrag ist auf die Nutzungsdauer des Ersatzwirtschaftsguts zu verteilen.
(Zur erfolgswirksamen Bildung einer Rückstellung für latente Steuern bei Rücklagen für Ersatzbeschaffung nach R 6.6 EStR vgl. Rdn 471 ff.)
Eine Rücklage nach § 6b EStG darf vor der Anschaffung oder Herstellung eines Reinvestitionswirtschaftsguts nicht auf einen anderen Betrieb des Steuerpflichtigen übertragen werden.
Rz. 441
▪ Unterhaltsrelevanz
Unterhaltsrechtlich kann also der Ertrag aus Aufdeckung einer stillen Reserve, der einkommensrelevant ist, in einem Sonderposten mit Rücklageanteil ohne Gewinnauswirkung "geparkt" worden sein.
Hinweis
Veräußerungsgewinne durch Aufdeckung stiller Reserven sind Bestandteil des steuerrechtlichen Gewinns und damit auch des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens.