Rz. 14

Wer eine zutreffende Kostenrechnung erstellen will, muss die nachfolgenden Schritte beachten. Wer diese einzelnen Schritte nicht beachtet oder einzelne Schritte überspringt, wird im Zweifel zu einer unzutreffenden Abrechnung kommen und Gebühren verschenken. Der Anwalt sollte sich daher die nachfolgenden Schritte einprägen und stets – auch in scheinbar einfachen Fällen – diese Schritte einhalten. Oft zeigt sich dann, dass der Fall doch nicht so einfach ist, wie man ursprünglich dachte.

1. In welcher Angelegenheit ist der Anwalt tätig geworden? Liegen gegebenenfalls mehrere Angelegenheiten vor?

 

Rz. 15

Der erste Schritt einer jeden Kostenabrechnung muss sein, zu klären, in welcher Angelegenheit der Anwalt überhaupt tätig geworden ist und ob hier nicht gegebenenfalls mehrere Angelegenheiten vorliegen.

a) Welche Angelegenheit

 

Rz. 16

Die Frage, welche Angelegenheit gegeben ist, entscheidet zum einen darüber, welche Gebühren anfallen.

 

Beispiel 1: Außergerichtliche/gerichtliche Tätigkeit (I)

Der Anwalt ist mit der Durchsetzung einer Forderung in Höhe von 8.000,00 EUR beauftragt. Er schreibt den Gegner an, der allerdings nicht reagiert. Daraufhin wird Klage erhoben.

Das außergerichtliche Aufforderungsschreiben löst eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV aus, wenn zunächst ein Auftrag zur vorherigen außergerichtlichen Vertretung bestand und nur ein bedingter Prozessauftrag für den Fall der Erfolglosigkeit der außergerichtlichen Vertretung. Diese Gebühr ist dann im anschließenden Klageverfahren gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV hälftig auf die Verfahrensgebühr anzurechnen.

Dem Anwalt kann jedoch auch von Anfang an ein unbedingter Klageauftrag erteilt worden sein. Dann ist das außergerichtliche Aufforderungsschreiben als Vorbereitung der Klage nach § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 RVG mit der Verfahrensgebühr der Nr. 3100 VV abgegolten.[4]

 
I. Vorheriger Auftrag zur außergerichtlichen Vertretung
a) Außergerichtliche Vertretung
1. 1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV   652,60 EUR
  (Wert: 8.000,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 672,60 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   127,79 EUR
Gesamt   800,39 EUR
b) Nachfolgendes Klageverfahren
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV   652,60 EUR
  (Wert: 8.000,00 EUR)    
2. anzurechnen gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV,   – 326,30 EUR
  0,65 aus 8.000,00 EUR    
3. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV   602,40 EUR
  (Wert: 8.000,00 EUR)    
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 948,70 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   180,25 EUR
Gesamt   1.128,95 EUR
Summe a) + b)   1.929,34 EUR
II. Klageauftrag
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV   652,60 EUR
  (Wert: 8.000,00 EUR)    
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV   602,40 EUR
  (Wert: 8.000,00 EUR)    
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.275,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   242,25 EUR
Gesamt   1.517,25 EUR
 

Rz. 17

 

Beispiel 2: Außergerichtliche/gerichtliche Tätigkeit (II)

Der Anwalt ist beauftragt, mit dem Gegner außergerichtliche Vergleichsgespräche wegen einer Forderung in Höhe von 8.000,00 EUR zu führen.

Die Tätigkeit kann einen außergerichtlichen Auftrag darstellen, der nach Teil 2 VV, hier Nr. 2300 VV, zu vergüten ist. Dem Anwalt würde dann ein Gebührenrahmen von 0,5 bis 2,5 zustehen. Die Mittelgebühr beliefe sich auf 1,5. Zu beachten wäre gegebenenfalls die Schwellengebühr nach Anm. Abs. 1 zu Nr. 2300 VV in Höhe von 1,3. Hier soll von der Mittelgebühr ausgegangen werden.

Dem Anwalt kann jedoch auch schon ein Klageauftrag erteilt worden sein. Dann richtet sich die Vergütung nach Teil 3 VV (Vorbem. 3 Abs. 1 VV). Außergerichtliche Vergleichsverhandlungen zählen nach § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 RVG mit zum Rechtszug. Der Anwalt erhielte eine 0,8-Verfahrensgebühr nach Nrn. 3100, 3101 Nr. 1 VV sowie eine 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV (Vorbem. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 VV) (siehe dazu § 13 Rdn 237). Insgesamt stünden ihm also 2,0 Gebühren zu. Der Unterschied ist erheblich.

 
I. Auftrag zur außergerichtlichen Vertretung
1. 1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV   753,00 EUR
  (Wert: 8.000,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 773,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   146,87 EUR
Gesamt   919,87 EUR
II. Klageauftrag
1. 0,8-Verfahrensgebühr, Nrn. 3100, 3101 Nr. 1 VV   401,60 EUR
  (Wert: 8.000,00 EUR)    
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV   602,40 EUR
  (Wert: 8.000,00 EUR)    
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.024,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   194,56 EUR
Gesamt   1.218,56 EUR
 

Rz. 18

 

Beispiel 3: Terminswahrnehmung

Der Anwalt soll einen gerichtlichen Termin wahrnehmen.

Es kann sich um einen Prozessauftrag handeln. Dann gelten die Nrn. 3100, 3104 VV (Gesamtgebühren 2,5).

Es kann sich aber auch um einen Auftrag zur Terminsvertretung handeln. Dann richtet sich die Vergütung nach Nrn. 3401, 3402, 3104 VV (Gesamtgebühren 1,85).

 

Rz. 19

 

Beispiel 4: Strafverfahren/Bußgeldverfahren

Gegen den Mandanten wird ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, nachdem dieser mit einem Pkw unter Alkoholeinfluss gefahren und angehalten worden war...

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