Norbert Schneider, Lotte Thiel
A. Besonderheiten bei der Abrechnung in Familiensachen
Rz. 1
Die Abrechnung in Familiensachen unterscheidet sich von der Abrechnung in anderen Angelegenheiten zum Teil deutlich, was sich schon daran zeigt, dass für die Werte in Familiensachen nicht die allgemeinen Wertvorschriften des GKG gelten, sondern im FamGKG spezielle Bestimmungen enthalten sind, die nicht einmal mehr einen Rückgriff auf die allgemeinen Regelungen – ausgenommen das Mahnverfahren (vgl. § 1 Abs. 1 S. 3 FamGKG) – zulassen.
Rz. 2
Auch bei den Gebühren ergeben sich zahlreiche Besonderheiten, die sich wiederum aus dem eigenen Verfahrensrecht, dem FamFG, ergeben.
B. Die Gegenstandswerte
Rz. 3
In Familiensachen berechnet sich die anwaltliche Vergütung – abgesehen von Beratungs- und Beratungshilfemandaten und den Kindschaftssachen gem. § 151 Nr. 6 und Nr. 7 FamFG – gem. § 2 Abs. 1 RVG nach dem Gegenstandswert, also dem Wert, den der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hat.
Rz. 4
Da der zutreffenden Wertfestsetzung für die anwaltliche Tätigkeit gerade in Familiensachen erhebliche Bedeutung zukommt und gerichtliche Wertfestsetzungen kritisch überprüft werden müssen, wird in den folgenden Kapiteln stets auch an Hand einzelner Beispielsfälle die jeweilige Bewertung dargestellt und erläutert.
I. Gerichtliche Verfahren
1. Gerichtsgebühren werden nach dem Wert erhoben
Rz. 5
In gerichtlichen Verfahren gilt § 23 Abs. 1 S. 1 RVG, sofern dort wertabhängige Gerichtsgebühren anfallen. Maßgebend für den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit ist der für die Gerichtsgebühren geltende Wert (§ 23 Abs. 1 S. 1 RVG). Der gerichtlich festgesetzte Wert (§ 55 FamGKG) gilt also gleichzeitig für den Anwalt.
Rz. 6
An die gerichtliche Wertfestsetzung ist der Anwalt gebunden (§ 32 Abs. 1 RVG). Ist er mit der gerichtlichen Wertfestsetzung nicht einverstanden, so kann er aus eigenem Recht Rechtsmittel und Rechtsbehelfe gegen die Wertfestsetzung einlegen (§ 32 Abs. 2 RVG).
Rz. 7
Die Praxis zeigt, dass eine Vielzahl erstinstanzlicher Wertfestsetzungen unzutreffend ist, und Beschwerden des Anwalts gegen die Festsetzung des Verfahrenswertes häufig Erfolg haben. Der Anwalt ist daher gut beraten, gerichtliche Wertfestsetzungen auf ihre Richtigkeit hin zu prüfen und gegebenenfalls die gebotenen Rechtsmittel und Rechtsbehelfe einzulegen, wenn er sich bei der Geltendmachung der eigenen Gebühren nicht eine unzutreffende rechtskräftige gerichtliche Wertfestsetzung entgegenhalten lassen will. Die besten Gebührensätze bringen wenig ein, wenn der zugrunde gelegte Wert nicht stimmt.
2. Es fallen keine Gerichtsgebühren oder Festgebühren an
Rz. 8
Denkbar ist auch, dass der Anwalt in gerichtlichen Verfahren tätig wird, in denen entweder keine Gerichtsgebühren oder wertunabhängige Festgebühren erhoben werden. In diesem Fall gilt § 23 Abs. 1 S. 2 RVG. Abzustellen ist auf die entsprechende Anwendung der Wertvorschriften des FamGKG.
Rz. 9
In diesem Fall ist der Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit vom Gericht auf Antrag nach § 33 Abs. 1 RVG gesondert festzusetzen.
II. Vollstreckung
Rz. 10
Wird der Anwalt in Vollstreckungssachen tätig, gilt § 25 RVG, da es keine wertabhängigen Gerichtsgebühren gibt, sondern vielmehr Festgebühren erhoben werden. Eine Wertfestsetzung nach § 55 FamGKG scheidet daher aus. Die Wertfestsetzung erfolgt – sofern erforderlich und beantragt – ausschließlich im gerichtlichen Verfahren nach § 33 RVG.
III. Außergerichtliche Vertretung
Rz. 11
Wird der Anwalt außergerichtlich tätig, so ist zu differenzieren:
1. Gegenstand kann auch Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein
Rz. 12
Kann die Tätigkeit des Anwalts auch Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein, dann gilt der Wert, der in einem gerichtlichen Verfahren gelten würde. Soll der Anwalt z.B. Unterhaltsansprüche geltend machen, so richtet sich der Wert der außergerichtlichen Tätigkeit gem. § 23 Abs. 1 S. 3 RVG nach den Vorschriften der §§ 35, 51 FamGKG. Ist der Anwalt damit beauftragt, das Umgangsrecht oder die elterliche Sorge zu regeln, so gilt über § 23 Abs. 1 S. 3 RVG die Wertvorschrift des § 45 FamGKG.
2. Gegenstand kann nicht Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein
Rz. 13
Wird der Anwalt außergerichtlich tätig in einer Angelegenheit, die nicht Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein kann, dann gilt § 23 Abs. 3 RVG. Diese Vorschrift verweist zunächst auf bestimmte Vorschriften des GNotKG, so z.B. bei der Mitwirkung an der Errichtung von Eheverträgen auf § 100 GNotKG. Finden sich im GNotKG keine einschlägigen Wertvorschriften, so ist der Wert nach billigem Ermessen festzusetzen und in Ermangelung hinreichender Anknüpfungspunkte sowie in nicht vermögensrechtlichen Angelegenheiten ein Regelwert von 5.000,00 EUR anzunehmen, der allerdings auch erhöht oder ermäßigt werden kann.
C. Die Vergütung
Rz. 14
Die Vergütung des Anwalts (also seine Gebühren und Auslagen – § 1 Abs. 1 RVG) richtet sich nach dem RVG. Mit Ausnahme der Gebühren für Beratung, Gutachten und Mediation (§ 34 Abs. 1 RVG) sind die Gebühren im Vergütungsverzeichnis geregelt.
Rz. 15
Eine Differenzierung nach Familienstreitsachen, Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit oder Verbund und Folgesachen, wird – im Gegensatz zur früheren BRAGO – mit Ausnahme der Nr. 3101 Nr. 3 VV nicht mehr vorgenommen. Allerdings können sich aus den Besonderheiten der einzelnen Verfahren durchaus auch Besonderheiten bei ...