Rz. 8

Eine erfolgreiche Testamentsvollstreckung kann nur im ganzheitlichen Zusammenhang der postmortalen Vermögenssorge, dem sog. Estate Planning, gesehen werden. Dieser Begriff stammt aus den USA. Die ganzheitliche Vermögensnachfolgeplanung spielt dort aufgrund der über bereits mehrere Generationen hinweg aufgebauten Vermögenswerte naturgemäß eine größere Rolle als in Europa. Die über 75-jährige Friedensperiode seit Ende des 2. Weltkriegs eröffnet der Methodik des Estate Planning nunmehr aber auch hierzulande ein weites Feld.[13] Dabei gilt es, den in den USA schon lange entwickelten Grundsatz, dass kein Testament ohne professionellen Abwickler bleiben dürfe, mit Hilfe der Testamentsvollstreckung sinnvoll auf die hiesigen Verhältnisse zu übertragen. Denn Deutschland – aber eigentlich ganz Europa – hat sich im Hinblick auf die zur Übertragung anstehenden Vermögen in den letzten Jahrzehnten deutlich in Richtung der US-amerikanischen Verhältnisse entwickelt. Angesichts der Vielfalt der unterschiedlichen rechtlichen Regelungen in Europa[14] erscheint ein präzises Estate Planning als Vorbereitung der Nachlassabwicklung durch den Testamentsvollstrecker in Zukunft wichtiger denn je.

 

Rz. 9

Wörtlich bedeutet Estate Planning soviel wie Erbschafts- oder Nachlassplanung. Zielführend ist das Verständnis von einer Anwendung des Familien-, Erb-, Sachen-, Schuld-, Versicherungs- und Steuerrechts zur Ordnung der persönlichen Angelegenheiten in einem nationalen oder internationalen Kontext unter Berücksichtigung der Möglichkeit des Ruhestandes und der Gewissheit des Todes. Das Estate Planning umfasst also die Vermögens- und die Nachlassplanung.[15] Praktisch erfordert dies

die umfassende Planung der Vermögensnachfolge
bereits zu Lebzeiten und
konsequent über den Tod hinaus
bezüglich aller Vermögenswerte – unternehmerisches und privates Vermögen, inländisches wie ausländisches,
in einem interdisziplinären Beratungsprozess.
 

Rz. 10

Ohne vorhergehende Strukturierung des Nachlasses ist eine Testamentsvollstreckung nur in den seltensten Fällen sinnvoll. Nachlassvermögen, das der Testamentsvollstreckung aus rechtlichen Gründen nicht unterliegt, muss bereits lebzeitig umgewandelt werden, damit die Testamentsvollstreckung nicht ins Leere läuft.[16] Dies gilt insbesondere bei Gesellschaftsanteilen. Aber auch Grundvermögen im Ausland bereitet regelmäßig Schwierigkeiten. Überhaupt führen Lebenssachverhalte mit Auslandsbezug – und hierzu sind nicht nur die ausländischen Vermögenswerte zu zählen, sondern beispielsweise auch gemischt nationale Familienstrukturen – zu einem deutlich höheren Gestaltungsaufwand. Wird die Testamentsvollstreckung im Ausland nicht anerkannt, muss durch richtig gestaltete Ausweichlösungen Vorsorge dafür getroffen werden, dass der Wille der Mandanten gleichwohl in die Tat umgesetzt werden kann.

 

Praxishinweis

Es versteht sich von selbst, dass diese vielfältigen Aufgaben mit den üblichen Ausbildungsgängen nicht optimal zu bewältigen sind. Auch wird es betriebswirtschaftlich in den wenigsten Fällen Sinn machen, für alle denkbaren Fallkonstellationen das jeweils erforderliche Spezial-Knowhow vorzuhalten. Für den langfristigen Erfolg des geschäftsmäßigen Testamentsvollstreckers ist es daher von entscheidender Bedeutung, Zugriff auf ein interprofessionelles Netzwerk zu haben,[17] das ihn in die Lage versetzt, das richtige Team an Spezialisten für den jeweiligen Nachlass verfügbar zu machen und dieses Team gekonnt zu koordinieren.

 

Rz. 11

Idealerweise vollzieht sich die Nachfolgegestaltung in drei Stufen:

Auf der ersten Stufe geht es darum, ein ganzheitliches Nachfolgekonzept zu entwickeln, und zwar

für das Unternehmen und für den Privatbereich
im Wege der vorweggenommenen und der letztwilligen Verfügung.

Auf der zweiten Stufe geht es darum, Vorsorge für die rechtliche Umsetzung des Nachfolgekonzeptes zu treffen, insbesondere durch

Vorsorgevollmachten
gesellschaftsvertragliche Regelungen
Ehevertrag
erbvertragliche bzw. testamentarische Regelungen
und selbstverständlich auch durch steuerliche Gestaltung.

In der dritten Stufe vollzieht sich die Durchsetzung der Nachfolgeregelung, soweit noch nicht zu Lebzeiten geschehen, über

letztwillige Anordnungen (z.B. Erbeinsetzungen, Vermächtnisse, Auflagen) und ggf.
Testamentsvollstreckung.
 

Rz. 12

Die gewollte Wirkung kann eine Testamentsvollstreckung nur entfalten, wenn

sie im Erbvertrag bzw. Testament präzise, d.h. auf den konkreten Einzelfall hin gestaltet und formuliert ist
sie im ganzheitlichen Zusammenhang mit der vorgenannten postmortalen Vermögenssorge, dem Estate Planning, gesehen wird und
eine fachlich und persönlich geeignete Person zum Testamentsvollstrecker bestimmt ist.
 

Rz. 13

Unreflektiert aus Anleitungsbüchern übernommene Formulierungen verbieten sich hier von selbst. Gleichwohl ist in der Praxis immer wieder festzustellen, dass selbst in notariell gestalteten Testamenten die Anordnung der Testamentsvollstreckung in den seltensten Fällen d...

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