Dr. Jörg Kraemer, Frank-Michael Goebel
Rz. 58
Ist der Rechtsanwalt als Bevollmächtigter für den Mandanten nicht nur im Inkasso oder der Vollstreckung tätig, sondern schon zuvor in der Vertragsanbahnung, sollte er darauf achten, dass auch schon möglichst viele Informationen über den Schuldner in den vertraglichen Unterlagen selbst enthalten sind (siehe oben Rdn 25 ff.).
Rz. 59
Hier ist insbesondere zu achten auf:
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die (korrekte) Bezeichnung der Gesellschafts- bzw. Unternehmensform |
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den Sitz des Unternehmens |
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die Aufnahme aller vertretungsberechtigten Personen |
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die Anschrift des Unternehmens und die Privatanschriften der vertretungsberechtigten Personen |
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die Anschrift der vom Sitz abweichenden Betriebsstätten |
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Name des oder der Geschäftsführer |
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Name oder Anschriften der Gesellschafter |
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Geburtsort und -datum der handelnden Personen HinweisDies eröffnet Möglichkeiten der Recherche nach dem Schuldner und seinen Erben im Personenstandsregister. |
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Bankverbindungen TippHier kann der Gläubiger über die Internetseiten
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www.bankleitzahlen.de |
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www.iban-rechner.de |
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www.konto-nummern.de |
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www.ckonto.de |
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www.bankkontoexperte.de zunächst die zuständige Bank ermitteln. Über die so erreichte Folgeseite ist dann eine Prüfung der Aktualität der Kontonummer möglich, auch wenn dies keine Zuordnung zum Schuldner erlaubt. |
HinweisAuch wenn keine volle Gewähr für die Richtigkeit der Auskunft übernommen wird und die Daten "nur" alle drei Monate aktualisiert werden, erlaubt diese – kostenfreie – Überprüfung eine Einschätzung, ob eine Kontopfändung noch Aussicht auf Erfolg verspricht. Durch eine einfache Überprüfung können so etwa die Kosten für einen teuren Pfändungs- und Überweisungsbeschluss mit Zustellkosten gespart werden. |
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Umsatzsteuernummer TippDie Umsatzsteueridentifikationsnummer kann im Internet über die Adresse http://ec.europa.eu/taxation_customs/vies/vieshome.do?selectedLanguage=EN europaweit überprüft werden. Existiert die Umsatzsteuernummer noch, verrät sie das zuständige Finanzamt, wo etwa Steuererstattungsansprüche gepfändet werden können und geben zugleich einen Hinweis auf den Aufenthaltsort. |
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Frühere Überweisungen des Schuldners. TippHat der Schuldner dem Mandanten schon einmal einen Geldbetrag überwiesen, etwa aus einem früheren Auftrag oder als Teilzahlung auf die jetzt beizutreibende Forderung oder in Erfüllung eines Ratenzahlungsvergleiches, so lässt sich über die eigene Bank des Gläubigers oder des Bevollmächtigten (geldempfangende Bank) feststellen, von welchem Konto die Überweisung erfüllt ist. Hierauf kann dann im Wege der Kontopfändung zugegriffen werden. |
Rz. 60
Die Auswertung der eigenen Schreiben und Unterlagen des Schuldners ist aber nicht nur für die Ermittlung der "Formalien", die schon im Erkenntnisverfahren hilfreich, wenn nicht notwendig sind, eine ausgezeichnete Informationsquelle, sondern auch für Hinweise über den Aufenthalt des Schuldners und möglicher Vermögenswerte.
Rz. 61
§ 35a GmbHG und § 80 AktG verlangen, dass Kapitalgesellschaften auf allen ihren Schreiben die vertretungsberechtigten Personen, das zuständige Handelsregister nebst Eintragungsnummer und ihren Sitz angeben. Hier kann also ein schneller Zugriff auf die Informationen aus dem Handelsregister erfolgen. Werden diese Angaben nicht ordnungsgemäß gemacht, kann sich hieraus etwa eine persönliche Haftung des Geschäftsführers ergeben.
Rz. 62
Regelmäßig geben die Schuldner – jedenfalls zu Beginn der Geschäftsbeziehung – ihre Bankverbindung an, was unmittelbar die Möglichkeit zu Maßnahmen der Kontopfändung gibt.
Rz. 63
Die geführte Korrespondenz kann auch Hinweise darauf enthalten, wo sich eventuelle weitere Betriebsstätten oder Zweigniederlassungen befinden und damit auch Vermögen, insbesondere auch Grundbesitz, vorhanden sein kann.
Rz. 64
Häufig finden sich in der Korrespondenz auch Hinweise auf andere Geschäftspartner des Schuldners, weil dieser sich etwa "wegen einer anderweitigen geschäftlichen Besprechung mit der Firma ... in München" entschuldigt und einen vorgeschlagenen Termin nicht wahrnimmt. Die andere Firma kommt dann als Drittschuldnerin für eine Forderungspfändung in Betracht, wenn nicht auszuschließen ist, dass dem Schuldner hier weitere Forderungen aus einer ständigen Geschäftsbeziehung zustehen. Jedenfalls erhöht eine Pfändung bei Geschäftspartnern auch den Vollstreckungsdruck auf den Schuldner, sich einer einvernehmlichen Regelung der berechtigten, weil titulierten Forderung, zu öffnen und einer Ratenzahlungsvereinbarung zuzustimmen.
Rz. 65
Tipp
Solche Informationen sind in der Korrespondenz umso weniger enthalten, je mehr der Schuldner mögliche Inkasso- oder Vollstreckungsmaßnahmen auf sich zukommen sieht. Deshalb sollte durchaus auch ältere Korrespondenz ausgewertet werden.
Rz. 66
Letztlich ergibt sich aus der Korrespondenz mit dem Schuldner sein aktueller oder ein früherer Internetauftritt, aus dem sich dann weitere Informationen gewinnen lassen.
Rz. 67
Tipp
Ist eine alte Internetpräsenz bekannt, so können über die Seite www.archive.org ...