Rz. 19
Eine zweite Unterscheidung der Kündigungen ist danach zu treffen, ob das Arbeitsverhältnis unter Wahrung der geltenden Kündigungsfristen (ordentliche Kündigung) oder ob es ohne Wahrung dieser Kündigungsfristen (außerordentliche Kündigung) beendet werden soll. Wird eine ordentliche Kündigung ausgesprochen, sind die geltenden Kündigungsfristen zu beachten. Diese Kündigungsfristen können sich aus Tarifvertrag, Einzelvertrag oder dem Gesetz ergeben. Für die Qualifizierung der Kündigung als ordentliche oder außerordentliche kommt es nicht entscheidend auf die richtige Bemessung der Kündigungsfrist an, sondern auf die Auslegung der Kündigungserklärung. Eine ordentliche Kündigung ist anzunehmen, wenn die Beendigung unter Beachtung der Kündigungsfrist dem mutmaßlichen Willen des Kündigenden entspricht und dieser Wille dem Kündigungsempfänger im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung erkennbar geworden ist. Eine Kündigung muss als empfangsbedürftige Willenserklärung aber so bestimmt sein, dass der Empfänger Klarheit über die Absichten des Kündigenden erhält. Der Kündigungsadressat muss deshalb erkennen können, zu welchem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis aus Sicht des Kündigenden beendet sein soll. Deshalb muss sich aus der Kündigungserklärung oder den Umständen ergeben, ob eine fristgemäße oder eine fristlose Kündigung gewollt ist. Im Fall einer ordentlichen Kündigung genügt regelmäßig die Angabe des Kündigungstermins oder der Kündigungsfrist. Eine Kündigung ist nicht auslegungsfähig und damit nicht hinreichend bestimmt, wenn in der Erklärung mehrere Termine für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses genannt werden und für den Erklärungsempfänger nicht erkennbar ist, welcher Termin gelten soll. Eine vom Arbeitgeber mit fehlerhafter Kündigungsfrist zu einem bestimmten Datum erklärte Kündigung mit dem Zusatz "fristgemäß zum" kann als ordentliche Kündigung zum richtigen Kündigungszeitpunkt ausgelegt werden, wenn es dem Arbeitgeber, für den Arbeitnehmer erkennbar, wesentlich um die Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist ging und sich das in das Kündigungsschreiben aufgenommene Datum lediglich als das Ergebnis einer fehlerhaften Berechnung der zutreffenden Kündigungsfrist erweist.
Rz. 20
Die außerordentliche Kündigung, die nur aus wichtigem Grund (§ 626 BGB) zulässig ist, beendet demgegenüber das Arbeitsverhältnis in der Regel ohne Wahrung einer Kündigungsfrist. Der Arbeitgeber muss dabei in der Kündigungserklärung zum Ausdruck bringen, dass er das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Wahrung der Kündigungsfristen beenden will. Der Annahme einer außerordentlichen Kündigung steht es nicht entgegen, wenn der Arbeitgeber die außerordentliche Kündigung unter Beachtung einer (freiwilligen) sozialen Auslauffrist ausspricht. Dies gilt auch dann, wenn die soziale Auslauffrist die Länge der ansonsten geltenden ordentlichen Kündigungsfrist erreicht. Gezwungen ist der Arbeitgeber zur Gewährung einer sozialen Auslauffrist, wenn eine ordentliche Kündigung vertraglich, tarifvertraglich oder gesetzlich ausgeschlossen ist und daher in einem Fall der betriebsbedingten Veranlassung nur die außerordentliche Kündigung überhaupt in Betracht kommt. In diesem Fall ist der ordentlich unkündbare Arbeitnehmer wegen des Schutzzwecks der ordentlichen Unkündbarkeit durch Gewährung einer sozialen Auslauffrist mit einem ordentlich kündbaren Arbeitnehmer gleichzustellen.
Rz. 21
Praxishinweis
Ob eine ordentliche Kündigung oder eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist gewollt ist, muss sich mit hinreichender Deutlichkeit aus der Kündigungserklärung selbst ergeben.
Die ordentliche Kündigung einerseits und die außerordentliche Kündigung andererseits unterliegen hinsichtlich ihrer Rechtfertigung unterschiedlichen Prüfungsmaßstäben. Eine Umdeutung einer ordentlichen Kündigung in eine mit Auslauffrist ausgesprochene außerordentliche Kündigung ist deshalb generell ausgeschlossen, und zwar selbst dann, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der an sich eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt hätte. Bei nicht sorgfältiger Arbeit des beratenden Rechtsanwalts liegt hier ein erhebliches Haftungspotential. Denn durch den fälschlichen Ausspruch einer ordentlichen Kündigung wird unter Umständen die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt und zudem deutlich, dass dem Arbeitgeber das Abwarten der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar ist.
Eine unwirksame außerordentliche Kündigung kann demgegenüber nach § 140 BGB in eine ordentliche Kündigung umgedeutet werden, wenn dies dem mutmaßlichen Willen des Kündigenden entspricht und dieser Wille dem Kündigungsempfänger im Zeitpunkt des Kündigungszugangs erkennbar ist.
Rz. 22
Im Folgenden werden die allgemeinen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der ordentlichen Kündigung dargestellt. Zu den darüberhinausgehenden weiteren Voraussetzungen der außerordentlichen Kündigung siehe § 2 Rdn 1 ff.