Rz. 338

Im Folgenden werden zunächst nur die grundlegenden Entscheidungen angesprochen, aus denen die Anforderungen an die von der Verfolgungsbehörde entwickelten Abstandsmessverfahren abgeleitet wurden.

 

Rz. 339

Es ist anzumerken, dass die Entscheidungen technisch verschiedene Messverfahren betreffen. Diese Methoden zur Abstandsüberwachungen wurden aus der Praxis entwickelt. Dabei beschränkte sich die Überwachung zunächst auf die Einhaltung des von der Rechtsprechung entwickelten Gefährdungsabstandes (Fahrstrecke in 0,8 s). Hier wurde die fotografische Messstrecke auf 150 m festgelegt und im Bereich von 40 m bis 190 m vor dem Messposten (Brücke) gewählt (z.B. Traffipax-Verfahren). Die davor liegende Strecke von 150 m (190 m bis 340 m vor der Brücke) wurde als "Beobachtungsstrecke" lediglich visuell vom Messbeamten während des Messbetriebes dahingehend "ausgewertet", dass der Fahrverkehr auf abrupte Geschwindigkeits- und Abstandsänderungen durch Fahrstreifenwechsel oder Bremsmanöver bewertet wurde. Eine fotografische Dokumentation der Bewegungsabläufe auf dieser "Beobachtungsstrecke" erfolgte nicht.

 

Rz. 340

In seinem ophthalmologischen Gutachten vom 27.12.1983 zu der Rechtsprechung des OLG Köln (VRS 66, 463) hält der Biophysiker Prof. Dr. E. Hartmann von der Universität München das Seh-, Wahrnehmungs- und Merkvermögen des Menschen grds. für ungeeignet, gleitende Abstandsveränderungen in einer Entfernung von 340 m bis 190 m vom Beobachter einigermaßen sicher wahrzunehmen, wenn sie nicht mindestens 25 % betragen.

 

Rz. 341

Die Schwierigkeit, die Messung eines Abstandsverstoßes als korrekt zu bestätigen oder im Zweifelsfall Toleranzen festzulegen, besteht darin, dass über die Länge der Messstrecke und die Konstanz eines Abstandsverhaltens keine einheitliche und detaillierte Vorgabe besteht.

Zudem wird bei der Überwachung des Abstandes zwischen Fahrzeugen keine "Momentaufnahme" gefertigt, wie etwa bei der stationären Geschwindigkeitsüberwachung, sondern der Fahrablauf über eine längere Wegstrecke beurteilt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Fahrabläufe über eine Wegstrecke von ca. 300 m nur selten völlig gleichförmig ablaufen. Vielmehr muss ständig von geringfügigen Geschwindigkeits- und Abstandsschwankungen ausgegangen werden.

 

Rz. 342

In einer Entscheidung zum zwischenzeitlich nicht mehr angewendeten Traffipax-Abstandsmessverfahren vom 28.3.1984 (VRS 66, 463) hat das OLG Köln zu den Anforderungen formuliert:

Zitat

"In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass der Sicherheitsabstand in der Regel der in 1,5 Sekunden durchfahrenen Strecke entsprechen muss; ein gefährdender Abstand besteht, wenn der Abstand auf ein Maß absinkt, das geringer ist, als die in 0,8 Sekunden durchfahrene Strecke. (...). Wenn in der Rechtsprechung gefordert wird, dass der Sicherheitsabstand auf einer Strecke von 250 – 300 Meter unterschritten sein muss, heißt dies nicht, dass auf dieser Strecke ein exakt gleich bleibender Abstand nachgewiesen werden muss. Grund dieser zugunsten des Betroffenen erhobenen Forderung ist, dass es auf der Autobahn immer eine Reihe von Situationen geben kann, die für Augenblicke zu einem sehr geringen Fahrzeugabstand führen können, ohne dass allein darin eine dem Fahrer anzulastende Pflichtwidrigkeit gefunden werden könnte; so wenn infolge plötzlichen Bremsens des Vorausfahrenden der Abstand des Nachfolgenden sich schlagartig für kurze Zeit stark verringert, oder wenn ein rechts Fahrender plötzlich kurz vor einem dort Nachfolgenden auf die Überholspur wechselt."

Ein Verstoß gegen §§ 1 Abs. 2, 4 Abs. 1 StVO kann daher schon angenommen werden, wenn auf der eigentlichen Messstrecke von 150 m der Sicherheitsabstand gleich bleibend unterschritten und ferner festgestellt worden ist, dass sich auf den vorangehenden 150 m die Verkehrssituation nicht in einer Weise geändert hat, dass dem Betroffenen aus dem zu dichten Auffahren kein Vorwurf gemacht werden kann.“

 

Rz. 343

Im Wesentlichen gleiche Ausführungen machen 1983 das OLG Düsseldorf (VRS 64, 376) und 1984 das OLG Oldenburg (VRS 67, 54).

 

Rz. 344

Nach der Änderung der BKatV und Einführung der Videoabstandsmessverfahren führt das OLG Hamm zum VAMA-Messverfahren in seinem Beschl. v. 28.10.1993 (NZV 94/99, 120) an:

Zitat

"Der Senat hat mit Beschl. v. 14.7.1992 den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde … zugelassen, da bisher noch keine obergerichtliche Entscheidung vorliege, in dem zur Frage der Beweiserheblichkeit des hier angewandten Abstandsmessverfahrens VAMA Stellung genommen worden ist."

 

Rz. 345

In der Urteilsbegründung beschränkt das OLG Hamm die Messstrecke auf die markierte Messstrecke von 50 m (bei VAMA 90 m bis 40 m vor der Brücke):

Zitat

"Somit sind die vom AG getroffenen Feststellungen über den Abstand beider Fahrzeuge auf der Messstrecke von 50 Meter in Übereinstimmung mit dem Gutachten der PTB, das durch die Ausführungen des Sachverständigen für den hier in Betracht kommenden Geschwindigkeitsbereich nicht in Frage gestellt wird, fehlerfrei getroffen worden. Auch die Darl...

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