Rz. 167
BGH, Urt. v. 20.11.2001 – VI ZR 77/00, VersR 2002, 200
Zitat
BGB §§ 249 S. 2, 823 Abs. 1, 840 Abs. 1; ZPO § 287 Abs. 1
Entsteht nach zwei zeitlich einander folgenden selbstständigen Unfällen ein Dauerschaden des Verletzten, haftet der Erstschädiger mangels abgrenzbarer Schadensteile grundsätzlich auch dann für den Dauerschaden, wenn die Folgen des Erstunfalls erst durch den Zweitunfall zum Dauerschaden verstärkt worden sind.
Der Zweitschädiger haftet für den Dauerschaden mangels abgrenzbarer Schadensteile schon dann, wenn der Zweitunfall lediglich mitursächlich für den Dauerschaden ist.
1. Der Fall
Rz. 168
Das Berufungsgericht war davon ausgegangen, dass die Klägerin beim ersten Unfall ein HWS-Schleudertrauma erlitt und auch beim zweiten Unfall verletzt wurde. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch Einholung von Sachverständigengutachten bleibe aber offen, ob der zweite Unfall entweder keinen Einfluss auf den vom Sachverständigen festgestellten Körperschaden der Klägerin gehabt oder gerade erst zu der Schwere der Verletzung geführt habe, weil die Erstunfallfolge ohne das zweite Ereignis vollständig hätte ausheilen können. Die Klägerin habe deshalb weder nachgewiesen, dass die Folgen ausschließlich auf den Erstunfall und nicht auf den Zweitunfall zurückzuführen seien, noch, dass sie ausschließlich dem Beklagten zu 3 aufgrund des zweiten Unfalls zuzurechnen seien.
Rz. 169
Bei dieser Situation helfe auch die Beweiserleichterung des § 287 ZPO der Klägerin nicht, da nicht auf gesicherter Grundlage mit überwiegender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden könne, dass die geltend gemachten Folgeschäden auf das erste oder auf das zweite Unfallereignis zurückzuführen seien. Auch eine Haftung nach § 830 Abs. 1 S. 2 BGB komme nicht in Betracht, da es an einer Beteiligung der mehreren Schädiger im Rahmen eines einheitlichen Ereignisses fehle. Soweit schließlich Ansprüche gegen die Beklagten zu 1 und 2 für Schäden aus der Zeit vom 2.8.1987 bis zum 5.8.1988 in Betracht kämen, seien diese jedenfalls durch die bereits gezahlten 6.000 DM abgegolten.
2. Die rechtliche Beurteilung
Rz. 170
Diese Ausführungen hielten revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
Die vom Berufungsgericht bisher getroffenen Feststellungen gestatteten es nicht, eine Haftung der Beklagten zu 1 und 2 für den vom Sachverständigen Prof. Dr. H. festgestellten Körperschaden der Klägerin (rezidivierende Blockierungen der oberen Halswirbelsäule mit einer dauernden Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 % aus orthopädischer Sicht) zu verneinen. Es legte seiner Entscheidung rechtsfehlerhaft einen zu geringen Umfang der haftungsrechtlichen Kausalität zugrunde.
Rz. 171
Ein Anspruch aus §§ 823, 847 BGB, §§ 7, 18 StVG, § 3 PflVersG gegen die Beklagten zu 1 und 2 setzte zunächst voraus, dass der Körper der Klägerin beim Unfall am 2.8.1987 verletzt worden war. Das war schon deshalb zu bejahen, weil die Klägerin nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bei diesem ersten Unfall ein HWS-Schleudertrauma erlitten hatte.
Rz. 172
Ob die vom Berufungsgericht als bewiesen angesehenen rezidivierenden Blockierungen mit Dauerfolgen aus orthopädischer Sicht auf dieser Verletzung beruhten, war eine Frage der haftungsausfüllenden Kausalität und daher nach § 287 Abs. 1 ZPO zu beurteilen. Das Berufungsgericht verkannte, dass dieser Ursachenzusammenhang nach seinen eigenen Feststellungen nicht in Zweifel gezogen werden konnte. Die Beklagten zu 1 und 2 hafteten nicht nur dann, wenn die Folgen ausschließlich auf den Erstunfall zurückzuführen waren. Falls – was das Berufungsgericht nicht auszuschließen vermochte – erst der zweite Unfall zu der Schwere der (jetzt noch verbliebenen) Verletzung geführt haben sollte, waren dennoch die Beklagten zu 1 und 2 hierfür mitverantwortlich. Die haftungsausfüllende Kausalität entfällt nicht schon dann, wenn ein weiteres Ereignis mitursächlich für den endgültigen Schaden geworden ist (vgl. Senatsurt. v. 26.1.1999 – VI ZR 374/97, VersR 1999, 862; v. 11.11.1997 – VI ZR 146/96, VersR 1998, 200; v. 5.11.1996 – VI ZR 275/95, VersR 1997, 122). Ausschlaggebend ist deshalb nicht, ob die Verletzung des ersten Unfalls ohne den zweiten Unfall (möglicherweise) vollständig hätte ausheilen können. Entscheidend ist vielmehr, ob die Verletzungsfolgen des Erstunfalles im Zeitpunkt des zweiten Unfalles bereits ausgeheilt waren und deshalb der zweite Unfall allein zu den nunmehr vorhandenen Schäden geführt hat, oder ob sie noch nicht ausgeheilt waren. Das Berufungsgericht war ersichtlich von letzterem ausgegangen, wenn es (dem orthopädischen Sachverständigen folgend) nicht ausschließen konnte, dass die "Erstunfallfolge" ohne den zweiten Unfall vollständig hätte ausheilen können. Bei dieser Betrachtungsweise waren zum Zeitpunkt des zweiten Unfalls jedenfalls noch Folgen des ersten Ereignisses vorhanden, die nun (möglicherweise) verstärkt wurden und eine besondere Schwere erhielten. Die damit mindestens gegebene Mitursächlichkeit der beim ersten Unfall erlittenen Verletzungen für die heutigen dauerhaften ...