Gerhard Ring, Line Olsen-Ring
Rz. 386
Das Übereinkommen ist für die Bundesrepublik Deutschland am 17.9.1971 im Verhältnis zu Luxemburg, Portugal und der Schweiz in Kraft getreten. Es gilt heute zudem für die Niederlande (seit dem 18.9.1971), Frankreich (seit dem 10.11.1972), Österreich (seit dem 11.5.1975), die Türkei (seit dem 16.4.1984), Spanien (seit dem 21.7.1987), Polen (seit dem 13.11.1993), Italien (seit dem 23.4.1995), Lettland (seit dem 11.9.2001) und Litauen (seit dem 8.3.2002).
Rz. 387
Das MSA wird im Rahmen des sachlichen Anwendungsbereichs des Haager Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25.10.1980 (siehe Rdn 422 ff.) nach dessen Art. 34 im Verhältnis der Vertragsstaaten zueinander durch die Vorschriften des Übereinkommens von 1980 ersetzt. Das MSA wird im Verhältnis der Vertragsstaaten, die dem neuen Haager Übereinkommen zum Schutz von Kindern vom 19.10.1996 (siehe Rdn 391) beitreten, gem. Art. 51 des Übereinkommens vom 19.10.1956 durch das neue Übereinkommen ersetzt. Das MSA wird im Verhältnis der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (mit Ausnahme von Dänemark) durch die Brüssel II-Verordnung und die EUEheVO 2003 in deren sachlichem Anwendungsbereich von diesen verdrängt (Art. 37 Brüssel II-VO bzw. Art. 60 lit. a EUEheVO 2003). In seiner Abgrenzung zum Anwendungsbereich der EUEheVO 2003 gelangt Art. 1 MSA allerdings dann zur Anwendung, wenn der Minderjährige seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Vertragsstaat hat, der nicht EU-Mitgliedstaat ist (d.h. augenblicklich in der Türkei und Macao).
Rz. 388
Im Hinblick darauf, dass in vielen Vertragsstaaten im Ehe- bzw. Scheidungsprozess auch die elterliche Sorge (oder die Personen- bzw. Vermögenssorge) geregelt wird, das MSA hierfür aber keine internationale Zuständigkeit vorgibt, trifft Art. 15 MSA (Vorbehalt zugunsten der Ehegerichte) hierzu die Möglichkeit eines Vorbehalts: Jeder Vertragsstaat, dessen Behörden dazu berufen sind, über ein Begehren auf Nichtigerklärung, Auflösung oder Lockerung des zwischen den Eltern eines Minderjährigen bestehenden Ehebandes zu entscheiden, kann sich nach Art. 15 Abs. 1 MSA die Zuständigkeit dieser Behörden für Maßnahmen zum Schutz der Personen oder des Vermögens des Minderjährigen vorbehalten, wobei aber die anderen Vertragsstaaten nach Art. 15 Abs. 2 MSA nicht verpflichtet sind, diese Maßnahmen anzuerkennen. Den Vorbehalt nach Art. 15 Abs. 1 MSA haben Frankreich, Litauen, Luxemburg, die Niederlande, Polen, die Schweiz, Spanien und die Türkei (nicht jedoch die Bundesrepublik Deutschland) erklärt. Er wurde inzwischen wieder zurückgenommen von den Niederlanden mit Wirkung vom 30.3.1982, von Frankreich mit Wirkung vom 28.4.1984, von der Schweiz mit Wirkung vom 28.5.1993 und von Spanien mit Wirkung 19.8.1995.
Rz. 389
Das MSA tritt nach seinem Art. 18 Abs. 1 im Verhältnis der Vertragsstaaten zueinander an die Stelle des am 12.6.1902 in Den Haag unterzeichneten Abkommens zur Regelung der Vormundschaft über Minderjährige (und umfasst den gesamten Schutz des Minderjährigen, nicht nur die Vormundschaft). Das Übereinkommen ist daher mit Wirkung vom 17.9.1971 im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland, Luxemburg und Portugal an die Stelle des Haager Vormundschaftsabkommens getreten. Das Vormundschaftsabkommen gilt nur noch im Verhältnis zu den Staaten, die das MSA nicht ratifiziert haben (d.h. Belgien und Rumänien). Das MSA lässt nach seinem Art. 18 Abs. 2 aber die Bestimmungen anderer zwischenstaatlicher Übereinkünfte unberührt, die im Zeitpunkt seines Inkrafttretens zwischen den Vertragsstaaten gelten. Unberührt bleiben demnach auch zwischenstaatliche Übereinkünfte zwischen Vertragsstaaten und Drittstaaten. Aus deutscher Sicht gehen daher insbesondere das Niederlassungsabkommen mit dem Iran vom 17.2.1929 (siehe Rdn 289) und das Vormundschaftsabkommen mit Österreich vom 5.2.1927 dem Übereinkommen vor.
Rz. 390
Nach Art. 22 Abs. 1 MSA kann jeder Staat bei der Unterzeichnung, bei der Ratifizierung oder beim Beitritt erklären, dass das Haager Minderjährigenschutzabkommen auf alle oder auf einzelne der Hoheitsgebiete ausgedehnt werden soll, deren internationale Beziehungen er wahrnimmt. Eine solche Erklärung wird wirksam, sobald das Übereinkommen für den Staat, der sie abgegeben hat, in Kraft tritt. Die Niederlande haben das Übereinkommen gem. Art. 22 Abs. 1 MSA auf die Niederländischen Antillen erstreckt.