Gerhard Ring, Line Olsen-Ring
1. Vorgeschichte und Erlass der EUGüVO/EUPartVO
Rz. 87
Die Europäische Union hegte bereits seit langem mit dem Ziel einer Europäisierung des internationalen Familien- und Erbrechts den Wunsch, Rechtsakte betreffend das anwendbare Recht in Güterstandssachen zu schaffen (Aktionsplan des Rates und der Kommission vom 3.12.1998; vgl. auch das Grünbuch der Kommission vom 17.7.2006 zu den Kollisionsnormen im Güterrecht unter besonderer Berücksichtigung der gerichtlichen Zuständigkeit und der Anerkennung).
Rz. 88
Vgl. weiterhin das Vierjahresprogramm des Europäischen Rates mit der Aufgabenstellung einer Vereinheitlichung des internationalen Güterrechts vom Dezember 2009 mit korrespondierendem Aktionsplan.
Rz. 89
Am 29.1.2019 sind – gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der EU (AEUV, insbesondere auf dessen Art. 81 Abs. 3) und auf den Beschluss (EU) 2016/954 vom 9.6.2016 – die beiden Güterrechtsverordnungen,
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die VO (EU) 2016/1103 des Rates vom 24.6.2016 zur Durchführung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen des ehechtlichen Güterstands (Europäische Ehegüterrechtsverordnung – fortan: EUGüVO) und |
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die VO (EU) 2016/1104 des Rates vom 24.6.2016 zur Durchführung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen güterrechtlicher Wirkungen eingetragenener Partnerschaften (Europäische Partnergüterrechtsverordnung – fortan: EUPartVO) |
in Kraft getreten.
2. Zielsetzung der Verordnungen
Rz. 90
Die VOen zielen mit der Intention, dass die Bürger die Vorteile des EU-Binnenmarkts ohne Einbußen bei der Rechtssicherheit nutzen können, darauf ab, den Ehegatten bzw. Partnern im Voraus Klarheit über das in ihrem Fall anzuwendende Ehegüterrecht bzw. das auf die güterrechtlichen Wirkungen der eingetragenen Partnerschaft anzuwendende Recht zu verschaffen.
Rz. 91
Der Begriff der "Ehe", der sich nach dem nationalen Recht der EU-Mitgliedstaaten bestimmt, wird in der EUGüVO nicht definiert. "Eingetragene Lebenspartnerschaften" sind nach Art. 3 Abs. 1 lit. a EUPartVO ausschließlich rechtlich vorgesehene Formen einer Lebenspartnerschaft zweier Personen, deren Eintragung nach den betreffenden rechtlichen Vorschriften verbindlich ist und welche die in den betreffenden Vorschriften vorgesehenen rechtlichen Formvorschriften für ihre Begründung erfüllen.
Rz. 92
Der Verordnungsgeber hat aus Gründen der Rechtssicherheit und zur Vermeidung einer Aufspaltung des güterlichen Ehestandes bzw. der güterrechtlichen Wirkungen einer eingetragenen Partnerschaft entschieden, dass das anzuwendende Recht den ehelichen Güterstand bzw. die güterrechtlichen Wirkungen der Lebenspartnerschaft insgesamt (d.h. das gesamte zum Güterstand gehörende Vermögen bzw. das gesamte den güterrechtlichen Wirkungen der eingetragenen Partnerschaft unterliegende Vermögen) erfasst – unabhängig von der Art der Vermögenswerte und unabhängig davon, ob diese in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Drittstaat belegen sind (Ausschluss einer statutenspaltenden Rechtswahl).
Rz. 93
Nach Erwägungsgrund Nr. 14 der EUGüVO/EUPartVO finden die VOen gem. Art. 81 AEUV nur auf eheliche Güterstände/güterrechtliche Wirkungen eingetragener Partnerschaften mit "grenzüberschreitendem Bezug" Anwendung.
3. Struktur der Verordnungen
Rz. 94
In ihrer Systematik (Struktur) folgen die in sechs Kapitel untergliederten EU-Güterrechtsverordnungen (EUGüVO/EUPartVO) der EuErbVO:
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Kapitel I (Art. 1 bis 3): Anwendungsbereich und Begriffsbestimmung (Definition zentraler Begriffe) |
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Kapitel II (Art. 4 bis 19): Zuständigkeit der Gerichte (Internationales Verfahrensrecht) |
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Kapitel III (Art. 20 bis 35): Kollisionsnormen (Bestimmung des anwendbaren Rechts) |
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Kapitel IV (Art. 36 bis 57): Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung von Entscheidungen |
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Kapitel V (Art. 58 bis 60): Bestimmungen über öffentliche Urkunden ... |