Rz. 156
Zitat
BGB § 249 Abs. 2 S. 1
Zu den Voraussetzungen für den Ersatz von Reparaturaufwand bis zu 30 % über dem Wiederbeschaffungswert.
a) Der Fall
Rz. 157
Der Kläger machte gegen den beklagten Haftpflichtversicherer restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall geltend. Die volle Einstandspflicht der Beklagten war unstreitig. Die Parteien stritten darum, wie der Fahrzeugschaden abzurechnen ist. Die vom Sachverständigen ermittelten Bruttoreparaturkosten von 3.254 EUR überstiegen den Wiederbeschaffungswert von 2.150 EUR steuerneutral um 51 %. Der Kläger hatte sein Fahrzeug selbst repariert. Er hatte die Zahlung von 130 % des Wiederbeschaffungswerts (2.795 EUR), hilfsweise der gutachterlich ausgewiesenen Nettoreparaturkosten (2.734 EUR) verlangt, zumindest Erstattung der unterhalb der 130 %-Grenze liegenden konkreten Reparaturkosten. Die Beklagte hatte vorprozessual lediglich 850 EUR gezahlt.
Rz. 158
Das Amtsgericht hat den Wiederbeschaffungsaufwand zugrunde gelegt und die Beklagte u.a. verurteilt, an den Kläger 680 EUR zu zahlen. Das war der Differenzbetrag zwischen dem gutachterlich ausgewiesenen Restwert (620 EUR) und dem von der Beklagten bei der Berechnung des Zahlbetrages zugrunde gelegten Restwert (1.300 EUR). Wegen des Weiteren geltend gemachten Fahrzeugschadens hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht die Beklagte verurteilt, an den Kläger auf den Fahrzeugschaden 1.871 EUR zu zahlen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrte die Beklagte die Wiederherstellung der Entscheidung des Amtsgerichts.
b) Die rechtliche Beurteilung
Rz. 159
Die Beurteilung des Berufungsgerichts hielt revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats kann der Ersatz des Reparaturaufwands bis zu 30 % über dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs nur verlangt werden, wenn die Reparatur fachgerecht und in einem Umfang durchgeführt wird, wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat (Senatsurt. v. 15.2.2005 – VI ZR 70/04, BGHZ 162, 161, 167 ff.; v. 10.7.2007 – VI ZR 258/06, VersR 2007, 1244 Rn 7).
Rz. 160
Inzwischen hat der Senat entschieden, dass jedenfalls in dem Fall, in dem zwar die vom Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten über der 130 %-Grenze liegen, es dem Geschädigten aber – auch unter Verwendung von Gebrauchtteilen – gelungen ist, eine nach Auffassung des sachverständig beratenen Berufungsgerichts fachgerechte und den Vorgaben des Gutachtens entsprechende Reparatur durchzuführen, deren Kosten den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigen, dem Geschädigten aus dem Gesichtspunkt des Wirtschaftlichkeitsgebots eine Abrechnung der konkret angefallenen Reparaturkosten nicht verwehrt werden kann (Senatsurt. v. 14.12.2010 – VI ZR 231/09, VersR 2011, 282 Rn 13). Der Senat hat ferner entschieden, dass der Geschädigte, der sein beschädigtes Kraftfahrzeug instand gesetzt hat, obwohl ein Sachverständiger die voraussichtlichen Kosten der Reparatur auf einen den Wiederbeschaffungswert um mehr als 30 % übersteigenden Betrag geschätzt hat, den Ersatz von Reparaturkosten nur dann verlangen kann, wenn er nachweist, dass die tatsächlich durchgeführte Reparatur, sofern diese fachgerecht und den Vorgaben des Gutachtens entsprechend ausgeführt worden ist, wirtschaftlich nicht unvernünftig war, was der tatrichterlichen Beurteilung (§ 287 ZPO) unterliegt (Senatsurt. v. 8.2.2011 – VI ZR 79/10, VersR 2011, 547 Rn 8).
Rz. 161
Danach ist regelmäßig die Erstattung von Reparaturkosten über dem Wiederbeschaffungswert nicht gerechtfertigt, wenn der Geschädigte sein Kraftfahrzeug nicht vollständig und fachgerecht nach den Vorgaben des Sachverständigen in Stand setzt (vgl. Senatsurt. v. 15.2.2005 – VI ZR 70/04, BGHZ 162, 161, 168; v. 10.7.2007 – VI ZR 258/06, a.a.O. Rn 8).
So lag es im Streitfall. Das Berufungsgericht ging selbst davon aus, dass die vom Kläger durchgeführte Reparatur von den Vorgaben des Gutachtens abwich. Der hintere Querträger wurde nicht ausgetauscht, sondern instand gesetzt, hinter der Stoßfängerverkleidung verblieb eine Delle und die Heckstoßfängerverkleidung wurde nicht richtig eingepasst.
Bei dieser Sachlage konnte ein Anspruch auf Ersatz der über dem Wiederbeschaffungswert liegenden Reparaturkosten nicht bejaht werden.