Rz. 105
Die Kündigung eines Versicherungsvertrages kann erfolgen durch
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ordentliche Kündigung zum Schluss der laufenden Versicherungsperiode; |
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Sonderkündigung wegen Obliegenheitsverletzung, Gefahrerhöhung, Prämienerhöhung, Prämienverzug, Veräußerung der versicherten Sache, nach einem Schadenfall; |
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außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund. |
1. Ordentliche Kündigung
Rz. 106
Für die ordentliche Kündigung gilt die Generalklausel in § 11 Abs. 2 VVG: Bei einem Versicherungsverhältnis auf unbestimmte Zeit (dauernde Versicherung) kann die Kündigung von beiden Teilen nur für den Schluss der laufenden Versicherungsperiode ausgesprochen werden. Das Kündigungsrecht kann durch Vereinbarung der Parteien nur für die Dauer von zwei Jahren ausgeschlossen werden (§ 11 Abs. 2 S. 2 VVG). Ein Versicherungsvertrag, der für die Dauer von mehr als drei Jahren geschlossen worden ist, kann vom Versicherungsnehmer zum Schluss des dritten oder jedes darauf folgenden Jahres unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten gekündigt werden (§ 11 Abs. 4 VVG).
2. Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit (§ 28 VVG)
Rz. 107
Verletzt der Versicherungsnehmer eine vertragliche Obliegenheit schuldlos oder fahrlässig, kann der Versicherer innerhalb eines Monats nach Kenntniserlangung kündigen; bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit hat der Versicherer ein Recht zur fristlosen Kündigung (§ 28 Abs. 1 VVG).
3. Gefahrerhöhung (§ 24 VVG)
Rz. 108
Bei einer vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführten Gefahrerhöhung kann der Versicherer den Vertrag fristlos kündigen, bei schuldloser oder einfacher Fahrlässigkeit unter Einhaltung einer Frist von einem Monat (§ 24 Abs. 1 VVG). Das Kündigungsrecht erlischt, wenn es nicht fristgerecht ausgeübt oder der frühere Zustand wiederhergestellt wird (§ 24 Abs. 3 VVG).
4. Prämienerhöhung
Rz. 109
Bei einer Prämienerhöhung aufgrund einer Anpassungsklausel kann der Versicherungsnehmer innerhalb eines Monats nach Eingang der Mitteilung über die Prämienerhöhung mit sofortiger Wirkung kündigen (§ 40 Abs. 1 VVG). Dieses Kündigungsrecht besteht jedoch nur dann, wenn die Prämienerhöhung ohne Änderung des Umfangs des Versicherungsschutzes erfolgt. Der Versicherer ist verpflichtet, den Versicherungsnehmer auf sein Kündigungsrecht hinzuweisen. § 40 VVG gehört zu den halbzwingenden Vorschriften, von denen nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden darf (§ 42 VVG).
5. Zahlungsverzug bei Folgeprämie (§ 38 VVG)
Rz. 110
Bei nicht rechtzeitiger Zahlung der Folgeprämie kann der Versicherer eine Zahlungsfrist bestimmen, die mindestens zwei Wochen betragen muss (§ 38 Abs. 1 S. 1 VVG). Bei nicht fristgerechter Zahlung ist der Versicherer zur fristlosen Kündigung berechtigt (§ 38 Abs. 3 S. 1 VVG). Die Kündigung wird jedoch unwirksam, wenn der Versicherungsnehmer innerhalb eines Monats die Zahlung leistet (§ 38 Abs. 3 S. 3 VVG).
6. Veräußerung der versicherten Sache (§ 96 VVG)
Rz. 111
Bei Veräußerung der versicherten Sache tritt der Erwerber in das Versicherungsverhältnis ein (§ 95 Abs. 1 VVG). Der Versicherer kann nach Veräußerung der versicherten Sache innerhalb einer Frist von einem Monat kündigen (§ 96 Abs. 1 S. 1 VVG).
Das Kündigungsrecht erlischt, wenn es nicht innerhalb eines Monats ab der Kenntnis des Versicherers von der Veräußerung ausgeübt wird (§ 96 Abs. 1 S. 2 VVG). Der Erwerber kann mit sofortiger Wirkung oder für den Schluss der laufenden Versicherungsperiode kündigen (§ 96 Abs. 2 S. 1 VVG).
Auch dieses Kündigungsrecht erlischt, wenn es nicht innerhalb eines Monats nach dem Erwerb oder von der Kenntnis des Bestehens der Versicherung ausgeübt wird (§ 96 Abs. 2 S. 2 VVG). Wird nach Veräußerung das Versicherungsverhältnis gekündigt, ist allein der Veräußerer zur Zahlung der Prämie verpflichtet (§ 96 Abs. 3 VVG).
7. Schadenfall (§ 92 VVG)
Rz. 112
Nach dem Eintritt eines Versicherungsfalles kann jede Vertragspartei das Vertragsverhältnis kündigen (§ 92 Abs. 1 VVG). Die Schadenfallkündigung ist ausgeschlossen für eine substitutive Krankenversicherung (§ 206 VVG). § 206 VVG enthält ein absolutes Kündigungsverbot ("jede Kündigung"), so dass sowohl die ordentliche wie auch die außerordentliche Kündigung untersagt ist. Dieses Kündigungsverbot gilt nicht bei schwerwiegenden Vertragsverletzungen, insbesondere bei betrügerischer Leistungserschleichung.
8. Wichtiger Grund
Rz. 113
Der Versicherungsvertrag begründet ein Dauerschuldverhältnis, so dass ein außerordentliches Kündigungsrecht besteht, wenn einem Vertragspartner die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht mehr zuzumuten ist.
Eine Kündigung aus wichtigem Grund durch den Versicherer ist möglich, wenn der Versicherungsnehmer beispielsweise versucht hat, einen anderen zur Herbeiführung des Versicherungsfalles anzustiften. Ein wichtiger Grund zur Kündigung durch den Versicherungsnehmer ist dann gegeben, wenn der Versicherer ihn zu Unrecht verdächtigt, den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt zu haben.