Isabelle Losch, Gabriela Hack
Rz. 63
Gemäß § 1814 Abs. 3 i.V.m. § 1816 Abs. 6 BGB scheiden alle Personen als Bevollmächtigte aus, die zu einem Träger von Einrichtungen oder Diensten, die in der Versorgung des Vollmachtgebers tätig sind, in einem Abhängigkeitsverhältnis oder in einer engen Beziehung stehen. Eine Ausnahme hiervon ist nur möglich, wenn die konkrete Gefahr einer Interessenkollision nicht besteht (§ 1816 Abs. 6 S. 2 BGB); dies muss im Einzelfall positiv festgestellt werden.
Rz. 64
§ 1814 Abs. 3 BGB normiert den grundsätzlichen Vorrang der Bevollmächtigung vor der Betreuerbestellung auf die Fälle, in denen die in § 1816 Abs. 6 BGB genannten Personen nicht Bevollmächtigte werden. Anders als in § 1816 Abs. 6 BGB, der ausdrücklich formuliert, dass die dort genannten Personen nicht zum Betreuer bestellt werden dürfen, wurde in § 1814 Abs. 3 BGB nicht formuliert, dieser Personenkreis dürfe nicht zum Bevollmächtigten ernannt werden. Somit kann nicht davon ausgegangen werden, dass der in § 1816 Abs. 6 BGB genannte Personenkreis absolut davon ausgeschlossen sei, zum Bevollmächtigten ernannt zu werden bzw. dass eine solche Vollmacht generell unwirksam sei.
Rz. 65
Ist eine Person aus dem in § 1816 Abs. 6 BGB genannten Personenkreis Bevollmächtigter des Volljährigen, muss das Betreuungsgericht nicht zwingend einen Betreuer bestellen, vielmehr kann es auch hier die Erforderlichkeit der Betreuerbestellung verneinen (Subsidiaritätsprinzip). Ob von der Bestellung eines Betreuers abgesehen werden kann, ist im Zeitpunkt der Betreuungsbedürftigkeit individuell zu überprüfen. Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Bevollmächtigung den Interessen des Vollmachtgebers nicht zuwiderläuft, wird eine Betreuerbestellung nicht erforderlich sein (§ 1816 Abs. 6 S. 2 BGB). Grundsätzlich kann daher auch eine in § 1816 Abs. 6 BGB genannte Person zum Bevollmächtigten ernannt werden; unter Umständen wird das Betreuungsgericht eine Kontrollbetreuung gemäß §§ 1815 Abs. 3, 1820 Abs. 3 BGB anordnen.
Rz. 66
Im Einzelfall kann die Vollmacht dann nichtig sein, wenn sich die Heimleitung routinemäßig und in einem größeren Umfang als mit den Interessen des Heimes zu vereinbaren wäre, Vollmachten erteilen lässt und noch dazu die Aufnahme in das Heim von der Erteilung der Vollmacht abhängig macht und diesbezüglich Druck ausübt. Als vorrangig Bevollmächtigte kommt dieser Personenkreis darüber hinaus auch nicht in Betracht (§ 1816 Abs. 6 S. 1 BGB). In einem solchen Fall besteht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Interessenkollision (§ 1816 Abs. 6 S. 2 BGB), da die Ausnahmeregelung eng auszulegen ist.
Gleiches muss für den Fall der Erteilung einer unwiderruflichen Vollmacht, insbesondere einer Generalvollmacht, gelten oder wenn jegliche Kontrollen ausgeschlossen sind.
Rz. 67
Kein Fall des gesetzlichen Ausschlusses war bis zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts die Bevollmächtigung des Leiters oder der Mitarbeiter eines den Betroffenen versorgenden ambulanten Pflegedienstes (auch beim "betreuten Wohnen"), da es hier an einem Abhängigkeitsverhältnis zu einer Einrichtung, in der der Betroffene wohnt, fehlt. Mit der Reform wurden zum 1.1.2023 neben den Beschäftigten von Wohneinrichtungen auch die Beschäftigten der ambulanten Dienste gemäß § 1814 Abs. 3 i.V.m. § 1816 Abs. 6 BGB erfasst, da deren Kontrolle zur Aufgabe des Vollmachtnehmers gehört. Eine Bevollmächtigung ist nach Eintritt in den Ruhestand möglich, da sodann das Abhängigkeitsverhältnis oder enge Verhältnis üblicherweise nicht mehr besteht.