1. Allgemeines
Rz. 57
Schenkungen von Privatvermögen unterliegen grundsätzlich nicht der Einkommensbesteuerung, da mangels Entgeltlichkeit weder Anschaffungskosten beim Empfänger noch ein Veräußerungserlös beim Zuwendenden entstehen. Zuwendungen im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge werden einkommensteuerlich allerdings immer dann relevant, wenn es sich um mindestens teilweise entgeltliche Vermögensübertragungen aufgrund vertraglicher Regelungen unter Lebenden mit Rücksicht auf die künftige Erbfolge handelt. In den meisten Fällen liegen im Rahmen der lebzeitigen Übertragung von Immobilien "teilentgeltliche" Vorgänge vor, in denen sich der Verkehrswert des Grundstücks und die vereinbarten Gegenleistungen bzw. Vorbehalte nicht wertmäßig ausgewogen gegenüberstehen. Werden Wirtschaftsgüter des Privatvermögens übertragen, werden diese im Rahmen der einkommensteuerlichen Behandlung nach Auffassung der Finanzverwaltung nach der sog. Trennungsmethode in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufgeteilt. Ausschlaggebend für die Ermittlung des entgeltlichen Anteils ist dabei das Verkehrswerteverhältnis des Vermögensgegenstands zu dem Verkehrswert der Gegenleistung.
Hinweis
Die Anschaffungsnebenkosten (z.B. Notar- und Grundbuchkosten) werden auch bei teilentgeltlichen Übertragungen in voller Höhe dem entgeltlichen Teil zugerechnet.
2. Voll- und teilentgeltliche Übertragungen
a) Überblick
Rz. 58
Im Rahmen der lebzeitigen Überlassung von Immobilienvermögen kommen folgende Vorbehalte bzw. Gegenleistungen des Erwerbs als Entgeltlichkeit im einkommensteuerlichen Sinne in Betracht:
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Vorbehalt oder Einräumung von Nutzungsrechten an dem übertragenen Grundvermögen (siehe Rdn 59 ff.>) |
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Übernahme von Verbindlichkeiten (siehe Rdn 62 ff.>) |
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Abstandszahlungen an den Veräußerer (siehe Rdn 65 ff.>) |
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Gleichstellungsgelder an Geschwister (siehe Rdn 67 ff.>) |
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wiederkehrende Leistungen (siehe Rdn 73 ff.>) |
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Kaufpreiszahlungen (siehe Rdn 77>). |
b) Vorbehalt oder Einräumung von Nutzungsrechten an dem übertragenen Grundvermögen
Rz. 59
Regelmäßig behält sich der Übertragende dingliche Nutzungsrechte (insbesondere Nießbrauch oder Wohnrecht) am übertragungsgegenständlichen Grundbesitz vor (siehe Rdn 6 ff.>). Motive können zum einen das Versorgungsinteresse der älteren Generation und zum anderen die schenkungsteuerliche Erwerbsreduzierung sein.
Rz. 60
Bei fremdvermieteten Objekten wird sich der Überlassende grundsätzlich den Nießbrauch vorbehalten. Hierdurch ändert sich an der ertragsteuerlichen Behandlung der Immobilie grundsätzlich nichts (siehe Rdn 92 ff.>). Das wirtschaftliche Eigentum ist weiterhin dem Vorbehaltsnießbraucher zuzurechnen. In den meisten Fällen ist die Vereinbarung eines Nießbrauchs auch bei selbstgenutzten Immobilienvermögen sinnvoll, da im Falle des – etwa alters- und/oder gesundheitsbedingten – Auszugs eine Vermietung durch den Nießbraucher – etwa zur Finanzierung der Heim-/Pflegkosten – möglich bleibt.
Rz. 61
Der Vorbehalt eines Nießbrauchs oder Wohnrechts an dem übertragenen Grundbesitz stellt einkommensteuerlich (lediglich) den Erwerb eines mit diesem Nutzungsrecht bereits belasteten Vermögensgegenstands dar und ist insoweit mithin kein entgeltlicher Erwerb. Das Gleiche gilt, wenn der Erwerber im Zuge der Überlassung verpflichtet wird, dem Schenker oder einem Dritten ein solches Nutzungsrecht einzuräumen. Wird also eine Immobilie unter Vorbehalt des Nießbrauchs übertragen, liegt kein einkommensteuerliches Veräußerungs- oder Anschaffungsgeschäft zwischen den Beteiligten vor, so dass es insbesondere nicht zu einer Spekulationsbesteuerung i.S.d. § 23 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG beim Überlassenden kommen kann.
c) Übernahme von Verbindlichkeiten
Rz. 62
Nicht selten bestehen zum Zeitpunkt der lebzeitigen Übertragung des Grundbesitzes noch objektbezogene Verbindlichkeiten. Gemeint sind damit Verbindlichkeiten, die in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem zu übergebenden Objekt stehen, d.h. Darlehen, die ursprünglich dessen Anschaffung oder Herstellung gedient haben. Werden diese Darlehen durch den Empfänger – im Außenverhältnis durch schuldbefreiende Übernahme oder (auch nur) durch Freistellung im Innenverhältnis – übernommen und weiter bedient, stellen diese ein Veräußerungsentgelt bzw. Anschaffungskosten dar, was eine Spekulationsbesteuerung i.S.d. § 23 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EstG auslösen kann (siehe § 12 Rdn 2 ff.>). Gleiches gilt, wenn der Erwerber dem Veräußerer ein Abstandsgeld entrichtet, mit dem der Veräußerer die Verbindlichkeiten tilgt.
Rz. 63
Auch die Übernahme von nicht objektbezogenen Verbindlichkeiten führt beim Übergeber bzw. Übernehmer zu einem Veräußerungsentgelt bzw. zu Anschaffungskosten im einkommensteuerlichen Sinne. Dies hat insbesondere zur Folge, dass dann beim Erwerber entsprechendes Abschreibungsvolumen geschaffen wird (siehe Rdn 79 ff.>).
Hinweis
Die bloße dingliche Übernahme eines Grundpfandrechts (z.B. Grundschuld) stellt keine Entg...