Rz. 50
Bei einer Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten durch den Arbeitnehmer kommen als arbeitsrechtliche Konsequenzen insbesondere die Abmahnung, die ordentliche bzw. als ultima ratio die außerordentliche fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses in Betracht.
Geht es um Vertragsverletzungen im Zusammenhang mit der Nutzung von Social Media, stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber berechtigt ist, Recherchen in sozialen Netzwerken zu betreiben, um nach etwaigen Pflichtverstößen zu suchen.
1. Einzelfälle
Rz. 51
Ein interessanter Rechtsstreit wurde vor einiger Zeit vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf verhandelt. Eine Auszubildende postete auf ihrer Facebook-Seite den Satz "Ab zum Arzt und dann Koffer packen". Nach ihrer Krankmeldung machte sie Urlaub auf Mallorca und stellte später ihre Urlaubsbilder ins Netz. Der Arbeitgeber kündigte das Ausbildungsverhältnis fristlos mit der Begründung, die Auszubildende habe ihre Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht. Das Verfahren endete mit einem Vergleich. Andernfalls hätte die Frage beantwortet werden müssen: War der Arbeitgeber berechtigt, auf der Facebook-Seite der Arbeitnehmerin nach Hinweisen auf eine vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit zu suchen?
Rz. 52
Generell ist bei Äußerungen auf Facebook mit Bezug zum Arbeitsverhältnis zu berücksichtigen, ob diese öffentlich oder nur einem eingeschränkten Personenkreis (z.B. nur Freunden, anders wohl schon bei Sichtbarkeit auch für Freunde von Freunden) sichtbar waren. Ist letzteres der Fall, liegt eine Vergleichbarkeit mit einem privaten, vertraulichen Gespräch nahe.
Rz. 53
Aus den im Anschluss dargestellten Entscheidungen ergibt sich, dass es einen Unterschied machen kann, ob die Äußerungen und Angaben öffentlich oder nur für einen begrenzten Personenkreis sichtbar sind. Ebenso kann ins Gewicht fallen, ob die Äußerungen in einem beruflichen oder privaten Netzwerk getätigt wurden. Die Rechtsprechung dazu erscheint allerdings recht uneinheitlich, wie die nachfolgenden Beispiele zeigen.
Ferner ist die Gefahr zu berücksichtigen, dass sich die Verbreitung einer Äußerung oder eines hochgeladenen Fotos in kurzer Zeit verselbstständigt und selbst nach Löschung durch den Arbeitnehmer noch im Netz abrufbar ist. Als Pendant zum Grundsatz "Das Internet vergisst nie" gibt es zwar das "Recht auf Vergessenwerden" auf Seiten des Betroffenen, doch wird es in der Umsetzung eine Zeit lang dauern – wenn es überhaupt gelingt – die Daten aus sämtlichen Quellen zu entfernen.
Letztlich wird die Zulässigkeit der arbeitsrechtlichen Konsequenzen immer vom Einzelfall abhängen. Hierbei ist dann auch zu berücksichtigen, dass kündigungsrechtlich relevante Äußerungen im Internet im Regelfall nicht mit spontanen Äußerungen in einer verbalen Auseinandersetzung vergleichbar sind, sondern zeitlich erst später erfolgen. Andererseits fehlt bei alleine am PC verfassten Äußerungen ein Korrektiv, das einem das persönliche Gespräch mit anderen Menschen durch etwaige kritische Rückmeldungen bietet.
Rz. 54
Das Arbeitsgericht Hagen hatte einen Fall zu entscheiden, in dem ein Arbeitnehmer, dessen Freundesliste viele Arbeitskollegen enthielt, auf seiner Pinnwand Nachrichten postete, die seinen Chef beleidigten. Die Seite war nicht nur für seine Freunde, sondern auch für Freunde von Freunden sichtbar. Das Gericht entschied, dass sich der Kläger nicht auf die Privatheit der Kommunikation berufen könne, da er die Vertraulichkeit selbst durch den öffentlichen Post aufgehoben habe.
Rz. 55
Auch die Kündigung eines Auszubildenden, der auf seinem privaten Facebookprofil unter der Rubrik "Arbeitgeber" diesen als "menschenschinder & ausbeuter" bezeichnete, der den Auszubildenden als "Leibeigener" halte und dieser für ihn "daemliche scheisse fuer mindestlohn – 20 %" erledige, war rechtmäßig.
Rz. 56
Das LAG Hessen, das im Rahmen eines Kündigungsschutzrechtstreits wegen einer beleidigenden Äußerung über Facebook zu entscheiden hatte, geht davon aus, dass eine beleidigende Äußerung im Internet weniger schwer wiegt als eine, die in einem persönlich adressierten Brief oder unmittelbar gegenüber dem Betroffenen ausgesprochen wird. Durch die Schnelllebigkeit und die Vielzahl von weiteren Einträgen im Internet trete relativ schnell ein Bedeutungsverlust der jeweiligen Äußerung ein. Angesichts der Tatsache, dass das Internet nie vergisst und dort einmal verfügbare Inhalte für eine unüberschaubare Zahl von Menschen zugänglich sind, verwundert dieses Ergebnis allerdings.
Rz. 57
In einem anderen Fall hat eine Krankenschwester Fotos eines Säuglings auf ihrem Facebookprofil gepostet. Auch wenn das Veröffentlichen von Patientenfotos einen zur außerordentlichen Kündigung berechtigenden Grund darstellt, bestätigte das LAG Berlin-Brandenburg die erstinstanzliche Entscheidung und beließ es bei einer Abmahnung. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Säugling auf den Bildern nicht verächtlich gemacht und herabgewürdigt werde. Daneben werde er nicht nament...