Zuerst die schlechte Nachricht: Das Recruiting wird in den nächsten fünf Jahren noch schwieriger werden, prognostiziert eine internationale Studie der Jobsuchmaschine Indeed, für die 2024 insgesamt 16.671 Personen befragt wurden. Die Zahlen für Deutschland zeigen, dass der Fachkräftemangel die Arbeitgeber weiterhin fest im Griff hat. Das liegt vor allem an der demografischen Entwicklung hierzulande. 67 Prozent der HR-Verantwortlichen blicken pessimistisch in die Zukunft. Und die Stellensuchenden fordern mehr Individualisierung, angefangen bei maßgeschneiderten Jobangeboten. Genau an dieser Stelle kann Social Media Recruiting ansetzen und Lösungen bereitstellen.
Social Recruiting: Definition
Unter Social Recruiting oder Social Media Recruiting fallen verschiedene Methoden und Ansätze, bei denen die Personalbeschaffung durch die Nutzung digitaler sozialer Netzwerke unterstützt wird. Somit umfasst Social Recruiting verschiedene Aktivitäten, die den Recruiting-Prozess effizienter gestalten oder verbessern können. Diese können im Wesentlichen in drei Bereiche eingeteilt werden:
- Gezieltes Verbreiten von Stellenanzeigen (Targeting) und positive Beeinflussung der Arbeitgebermarke (Employer Branding).
- Direkte und proaktive Ansprache von Kandidaten bei offenen Positionen oder zum Aufbau eines Talent Pools (Active Sourcing).
- Suche nach zusätzlichen Informationen zu potenziellen Kandidatinnen und Kandidaten unter Beachtung der Datenschutz-Vorgaben (Personalauswahl).
Viele Aktivitäten im Social Recruiting sind weitaus stärker individuell ausgerichtet als andere Recruiting-Maßnahmen, insbesondere die zielgerichtete und personalisierte Kandidatenansprache in sozialen Netzwerken (Active Sourcing) oder das auf klar definierte Zielgruppen zugeschnittene Targeting von Stellenanzeigen.
Kanäle für Social Recruiting
Arbeitgeber nutzen für Social Recruiting in erster Linie berufliche soziale Netzwerke wie Linkedin oder Xing. Vor allem bei Stellen für hochqualifizierte Mitarbeitende werden diese Business-Netzwerke dazu genutzt, potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten ausfindig zu machen und einen direkten Kontakt herzustellen. Es können sich aber auch allgemeine Plattformen wie Instagram, Facebook oder Whatsapp für Social Recruiting eignen. Nach manchen Definitionen wird auch die aktive Verwendung von Arbeitgeberbewertungsportalen als Teil von Social Recruiting betrachtet, obwohl es sich dabei nicht um digitale soziale Netzwerke im eigentlichen Sinn handelt.
Bei den Stellensuchenden sehen die Präferenzen ganz ähnlich aus. Laut Statista nutzen 2024 die meisten Xing (26 Prozent) für die Suche nach Stellenanzeigen, gefolgt von Linkedin (20 Prozent), Facebook (zwölf Prozent), Whatsapp (elf Prozent) sowie Spezialforen und Blogs (zehn Prozent).
Lesen Sie dazu auch unseren Beitrag "Multiposting von Stellenanzeigen: zielgerichtet rekrutieren".
Strategien für Social Recruiting entwickeln
Um eine geeignete Strategie für Social Recruiting zu entwickeln, müssen zunächst folgende Fragen geklärt werden:
- Welche Plattform eignet sich am besten für das jeweilige Ziel, das wir verfolgen?
- Wo finden wir am ehesten Kandidatinnen und Kandidaten, die zu unserem Unternehmen passen?
- Wollen wir Gespräche und Diskussionen in sozialen Medien anregen und moderieren oder wollen wir es bei der Nutzung von Social Media als reines Informationstool belassen?
Je nachdem, wie diese Fragen beantwortet werden, ergibt sich ein anderer Bedarf an Ressourcen und Tools. Bei der Entwicklung einer Strategie für Social Recruiting sollte außerdem darauf geachtet werden, dass diese niemals losgelöst angewandt werden kann, sondern stets an eine übergreifende Strategie zur Personalgewinnung und an angrenzende Prozesse angebunden sein muss.
Kennzahlen für Social Recruiting
Sobald die Strategie für das Social Recruiting feststeht, ist es notwendig, Kennzahlen zu entwickeln und zu erheben, um den gewünschten Erfolg messen und gegebenenfalls nachjustieren zu können. Aber nur wenige Unternehmen führen eine gezielte Erfolgsmessung durch. Immerhin 70 Prozent erheben die Time-to-Hire und 51 Prozent die Cost-per-Hire. Alle anderen Kennzahlen werden nur von weniger oder deutlich weniger als der Hälfte der Firmen genutzt, stellte die Studie "Recruiting-Strukturen – ein Benchmark 2023" fest.
Für das Entwickeln geeigneter Kennzahlen und KPIs für das Social Recruiting sollten sich Arbeitgeber an den allgemeinen Kennzahlen zum Recruiting orientieren (Lesen Sie dazu mehr im Kapitel "Die gängigsten Kennzahlen und KPIs für das Recruiting". Diese lassen nicht nur Aussagen über den am häufigsten gewählten Zugangskanal zu, sondern auch über die Eignung der jeweils erreichten Kandidatinnen und Kandidaten.
Wichtig ist, nicht nur quantitative Kennzahlen zu erheben, die zum Beispiel die Zeit zwischen der Identifizierung einer Vakanz und der tatsächlichen Einstellung oder die Dauer einzelner Prozessschritte betreffen. Vielmehr sollten die Unternehmen auch qualitative KPIs betrachten wie die Interview-Rate, die Auskunft über den Anteil an Bewerbenden gibt, die tatsächlich zu einem Jobinterview eingeladen werden.
Vier vermeidbare Fehler beim Social Recruiting
Um typische Fehler zu vermeiden und Social Media besser im Recruiting einzusetzen, können die folgenden vier Tipps als Orientierung dienen:
- Urteilen Sie nicht zu schnell: Wie jemand die eigenen Social-Media-Profile pflegt, lässt keine Aussage über die Eignung für den Job zu. Wer besonders viel postet, muss nicht zwangsläufig auch im Job sehr engagiert sein. Legen Sie fest, welchen Stellenwert Informationen aus den sozialen Medien einnehmen sollen.
- Respektieren Sie Privates: Soziale Netzwerke wie Facebook und Instagram nutzen viele Personen primär für private Kontakte. Deshalb sollten Sie berufliche Anfragen und Jobangebote auf die beruflichen Netzwerke beschränken und Sie sollten ihre Angebote möglichst individuell und konkret formulieren.
- Behalten Sie Ihre Ressourcen im Blick: Die Kontaktaufnahme mit potenziellen Kandidaten über die sozialen Medien ist verlockend. Vor allem die Kontaktpflege kostet aber viel Zeit und Engagement. Stellen Sie sich die Frage, ob Sie das auch langfristig leisten können und ob Sie eventuell zusätzliche Ressourcen benötigen.
- Setzen Sie weiter auf persönliche Kontakte: Viele Unternehmen glauben, ihre bisherigen Recruiting-Maßnahmen ganz in Social Media verlegen zu können. Ohne ein persönliches Kennenlernen gehen jedoch wichtige Informationen verloren – zum Beispiel wie jemand auf Stresssituationen reagiert.
Vorteile und Grenzen von Social Recruiting
Die Nutzung von Social Media im Recruiting bringt den Vorteil, dass Unternehmen direkt mit aussichtsreichen Kandidaten in Kontakt treten und sich nach außen gezielt präsentieren können. Ein weiterer Vorteil: Stellensuchende können über soziale Netzwerke erheblich mehr Informationen einholen als auf klassischen Wegen. Umgekehrt finden Arbeitgeber dort häufig auch detailliertere Informationen zu den jeweiligen beruflichen Tätigkeiten. Allerdings muss diese Menge an Information auch bearbeitet werden. Außerdem muss darauf geachtet werden, dass der Datenschutz und die Privatsphäre entsprechend gewahrt werden.
Die Reichweite von Social Media ist jedoch begrenzt: Eine Stellenausschreibung über Social Media erreicht nur eine Teilöffentlichkeit, da sie nicht ohne Account auf dem entsprechenden Portal eingesehen werden kann. Somit sollte nicht auf die klassische Stellenausschreibung, beispielsweise auf der Unternehmensseite oder in einer Jobbörse, verzichtet werden. Social Media Recruiting sollte immer in Kombination mit anderen Bausteinen und abgestimmt auf eine übergreifende Recruiting-Strategie eingesetzt werden.
Datenschutz: Das ist beim Social Recruiting zu beachten
Viele Personalverantwortliche nutzen Informationen aus sozialen Netzwerken, um zu entscheiden, ob sie jemanden zum Bewerbungsgespräch einladen. Dabei begeben sie sich auf gefährliches Terrain, denn eine Recherche nach Bewerbern im Internet ist laut § 26 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) nur erlaubt, wenn sie für die Entscheidung über die Begründung, Durchführung oder Beendigung eines Arbeitsverhältnisses erforderlich und angemessen ist. Daneben ist es möglich – unabhängig von einem Arbeitsverhältnis – "allgemein zugängliche" Daten zu erheben, sofern dem keine Interessen der Betroffenen entgegenstehen. Das heißt im Umkehrschluss: Postings für Freunde, die in sozialen Netzwerken veröffentlicht werden, sind nur für Freunde.
Welche Möglichkeiten Arbeitgeber aus arbeitsrechtlicher Sicht haben, sich im Internet über potenzielle neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu informieren, und weshalb es sich empfiehlt, konkrete Leitlinien für eine datenschutzgerechte Recherche aufzustellen, lesen Sie im Beitrag "Rechtliche Fallstricke beim Social Media Recruiting".