Rechtliche Fallstricke beim Social Media Recruiting
Die Suche nach passenden Bewerbern befindet sich in einer digitalen Revolution. War es früher modern, offene Stellen auf der eigenen Karriereseite und auf einschlägigen Jobportalen auszuschreiben, gehört dies längst zum Alltag von Recruitern. Und auch das Posten offener Vakanzen in berufsorientierten Social-Media-Kanälen gewinnt stetig an Bedeutung.
Aber nicht nur der Anteil der im Internet veröffentlichten Positionen steigt an, sondern auch der Anteil, der über soziale Kanäle eingestellten Mitarbeiter. So sind mittlerweile 37,3 Prozent der Einstellungen auf Vakanzen auf der Unternehmenswebsite und Internet-Jobbörsen sowie 5,1 Prozent auf soziale Medien zurückzuführen – Tendenz steigend.
Viele Arbeitgeber stehen beim digitalen Recruiting vor rechtlichen Problemen – nicht zuletzt aufgrund eines strengen Datenschutzes in der EU. Bei Verstößen drohen schnell hohe Bußgelder. Aber auch die Mitbestimmung des Betriebsrates und die Gestaltung der Stellenanzeigen spielen eine wesentliche Rolle.
Social Media Recruiting: Fallstrick Datenschutz
Unternehmen, die ihre Bewerber einem "Background-Check" unterziehen, sollten sich vorher mit dem Datenschutzrecht vertraut machen. Unterschieden werden dabei vor allem freizeitorientierte soziale Medien (Facebook, Instagram, TikTok), Suchmaschinen (Google, Ecosia) und berufsorientierte Medien (Xing, LinkedIn). In den Medien bekannt wurden vor allem die Fälle von Background-Checks, in denen Bewerber durch Partyfotos aus dem Bewerbungsprozess ausgeschieden sind. (Lesen Sie dazu auch "Social Media Recruiting: Strategie erfolgreich umsetzen".)
Maßgebliche Rechtsgrundlage ist § 26 Abs. 1 S. 1 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG). Danach ist die Informationsgewinnung nur dann erforderlich, wenn ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers an der Beantwortung seiner Fragen besteht. Das Interesse des Arbeitnehmers an der Geheimhaltung der Daten darf das des Arbeitgebers nicht überwiegen. Der Arbeitgeber muss eine Interessenabwägung durchführen. Dabei gilt folgender Grundsatz: Hat der Arbeitgeber ein allgemeines Fragerecht, überwiegt grundsätzlich sein Informationsinteresse. Besteht kein Fragerecht, überwiegen die Interessen des Bewerbers.
Personenbezogene Daten: Umfang der Einsehbarkeit entscheidend
Insofern ist auf die Verarbeitungsregeln für besondere Kategorien personenbezogener Daten zurückzugreifen. Diese berücksichtigen die geringere Schutzwürdigkeit allgemein zugänglicher Daten, die der Bewerber offensichtlich selbst öffentlich macht. Diese sind weniger schutzwürdig. Öffentlich gemacht sind Daten z. B. in frei zugänglichen Bereichen des Internet oder sonstigen öffentlichen Medien. Ob in sozialen Netzwerken "veröffentlichte" Daten darunterfallen, hängt davon ab, ob die Daten der Allgemeinheit oder nur innerhalb geschlossener Gruppen zur Verfügung gestellt wurden.
Datenschutz: Unterschied von privaten und allgemein zugänglichen Daten beachten
Zu beachten ist die Zweckbestimmung der Veröffentlichung durch den Betroffenen. Sein Persönlichkeitsrecht wird durch den Zugriff auf Daten verletzt, die er in einem sozialen Netzwerk ausschließlich privaten Nutzern zur Verfügung stellen will. Anhaltspunkt hierfür ist beispielsweise, ob das Profil des Bewerbers nur "privat" zugänglich ist oder ob es von vornherein öffentlich ist.
Hat der Betroffene einer Kontaktanfrage eines Interessenten zugestimmt und hat das Unternehmen eindeutig auf die Datenerhebung zu Recruiting-Zwecken hingewiesen, ist der Betroffene weniger schutzwürdig. Eine Auswertung der personenbezogenen Daten kann gerechtfertigt werden.
Werden Daten unmittelbar oder mit einer Suchmaschine ermittelt, gibt es keine Bedenken hinsichtlich der Erhebung, wenn der Bewerber sie in einer berufsbezogenen Plattform, der eigenen Webseite oder in offenen Meinungsforen selbst eingestellt und freigegeben hat. Gleiches muss bei nicht sensiblen Daten gelten, wenn die Daten von Dritten, aber mit zu unterstellender Zustimmung des Bewerbers veröffentlicht wurden.
Sind die Daten innerhalb des berufsorientierten sozialen Netzwerks zugänglich, sind diese "allgemein zugänglich". Auch hier fällt eine Interessenabwägung zulasten des Betroffenen aus. Wurde der Datenzugriff nur auf solche Kontakte beschränkt, mit denen der Betroffene "vernetzt" ist, ist die Datennutzung zulässig, wenn der Recruiter bei der "Kontaktanfrage" als solcher erkennbar war und auf die potenzielle Auswertung der Daten hingewiesen hat. Andernfalls wäre eine Datenerhebung unzulässig.
Active Sourcing und Headhunting: Arbeitgeber auf Kandidatensuche
Macht der Arbeitgeber sich selbst auf die Suche nach geeigneten Kandidaten, bieten sich unterschiedliche Kanäle an. Ein Weg der gezielten Personalsuche führt über klassische Recruiting-Messen, Absolventen-Kongresse und Netzwerktreffen. Doch ist die Online-Suche für die Arbeitgeber kostengünstiger und zeitsparend. Das Durchforsten von Xing- oder Linkedin-Profilen und anderen Internetauftritten ist Teil des Active Sourcing. Auch hier stellt sich die Frage nach der Rechtsgrundlage für die Datenerhebung.
Zu beachten ist, dass der Kandidat von der Suche des Unternehmens nichts weiß oder wissen kann. Anders als im obigen Falle liegt kein Anbahnungsverhältnis vor, sodass das Interesse des Betroffenen an seinen Daten überwiegt. Auch wenn diese öffentlich sind, kann der Arbeitgeber die Daten nicht einfach erheben und verarbeiten. Er benötigt dafür die Einwilligung des Betroffenen.
Headhunter sind gut beraten, bei potenziellen Kandidaten eine Einwilligung einzuholen, ob sie die Daten weiterleiten dürfen. Umstritten sind Fälle, in denen Kandidaten durch Hinweise in ihrem Profil wie "auf der Suche nach einer neuen Herausforderung" eine klare Tendenz erkennen lassen. Mangels Rechtsprechung ist auch hier ratsam, die Einwilligung einzuholen.
Löschkonzepte für Online-Bewerbungen
Mittlerweile ist bei vielen größeren Unternehmen gängige Praxis, dass sich Bewerber online bewerben können. Im firmeneigenen Portal kann der Bewerber jederzeit den Stand seiner Bewerbung einsehen, Dokumente hinzufügen oder seine Bewerbung zurückziehen. Durch solche Portale verfügt das Unternehmen schnell über riesige Mengen an Daten. Arbeitgeber sind daher gut beraten, "Löschkonzepte" zu erstellen, in denen klar geregelt wird, wann welche Daten gelöscht werden. Auch hier ist Vorsicht geboten: Wird zu früh gelöscht, kann dies beispielsweise bei einer Klage wegen einer (vermeintlichen) Ungleichbehandlung zum Nachteil des Arbeitgebers sein.
Einsatz von künstlicher Intelligenz im Bewerbungsprozess
Eine weitere Möglichkeit ist der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI). Eine Umfrage des Bundesverbands der Personalmanager im März 2019 hat ergeben, dass bereits 15,9 Prozent der befragten Unternehmen KI-Anwendungen im HR-Bereich einsetzen. Der Einsatz von KI ist in allen Phasen des Bewerbungsprozesses möglich. Bei der Sichtung der Bewerberdaten und -unterlagen können People-Analytics-Programme eingesetzt werden, um eine Vorauswahl der Kandidaten zu treffen. Auch Bewerbungsgespräche können mittels People Analytics unterstützt oder gar von Chatbots geführt werden. Durch eine Sprachanalyse lassen sich psychologische und kommunikationsbezogene Eigenschaften eines Bewerbers ermitteln. Es wäre (technisch) sogar möglich, der KI die Entscheidung über die Einstellung eines Bewerbers zu überlassen. (Lesen Sie dazu auch "Robot Recruiting: Möglichkeiten und Grenzen von künstlicher Intelligenz".)
Im Gegensatz zu Menschen spricht man Robotern die Eigenschaft zu, nicht voreingenommen zu sein. Das setzt allerdings voraus, dass der zugrundeliegende Algorithmus nicht selbst diskriminierend ist und zu einer Benachteiligung von Bewerbern führt – bei Verstößen haftet hier der Arbeitgeber.
Bewerbermanagement-Tools: Betriebsrat unbedingt miteinbeziehen
Nicht zuletzt sollten Arbeitgeber mit Betriebsrat die einschlägigen Mitbestimmungsrechte kennen. Zunächst bestimmt der Betriebsrat bei der Einführung eines Bewerbermanagement-Tools mit, da es sich um eine technische Einrichtung handelt, mit der das Verhalten oder die Leistung überwacht werden kann (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG).
Bewerbermanagement-Tools sind auf weitere mitbestimmungspflichtige Inhalte abzustimmen. Der Betriebsrat kann gemäß § 93 BetrVG neben der externen Ausschreibung eine interne verlangen. Insofern muss ein entsprechender Mechanismus installiert werden, damit die vakante Position intern ausgeschrieben wird. Zudem hat der Betriebsrat Einfluss auf die Einführung, Gestaltung der Personalfragebögen und Beurteilungsgrundsätze gemäß § 94 BetrVG.
Insofern muss der Betriebsrat auch bei standardisierten Fragen, die den Interessenten im jeweiligen Bewerbungssystem gestellt werden, mitbestimmen. Werden die Bewerber anhand eines bestimmten Algorithmus selektiert, unterliegt diese Berechnungsformel ebenfalls der Mitbestimmung nach § 95 BetrVG. Die Nutzung des Bewerbermanagement-Tools ist so zu gestalten, dass der Betriebsrat sein Recht auf Einsicht in die vom Bewerber eingereichten und die vom Arbeitgeber selbst erstellten Bewerbungsunterlagen wie beispielsweise Protokolle nach § 99 BetrVG ausüben kann. Dasselbe gilt für sämtliche Bewerbungsunterlagen, die ein vom Unternehmen betriebenes System mittels einer Datenbankrecherche als geeignet vorgeschlagen hat.
Rechtssichere Konzepte für digitales Recruiting
Digitales Recruiting stellt Arbeitgeber vor neue Herausforderungen, doch es eröffnet auch ungemein viele neue Chancen und Perspektiven. Arbeitgeber sollten klare Konzepte entwickeln, die den geltenden rechtlichen Anforderungen standhalten. Werden die datenschutzrechtlichen Spielregeln eingehalten, bietet das digitale Recruiting das Potenzial, den "War of Talents" für sich zu entscheiden. Auch Bewerberportale bieten Chancen, um eine erste Vorauswahl zu treffen, jedoch sollte nicht auf ein persönliches (virtuelles) Kennenlernen verzichtet werden. Gerade die starke Aussagekraft einer persönlichen Referenz bleibt unangetastet. Besteht ein Betriebsrat im Unternehmen, sollte dieser frühzeitig eingebunden werden.
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