A. Wahl des sichersten Weges – Anwaltsvertrag mit Schutzwirkung für Dritte
Rz. 1
Die Rechtsprechung bejaht u.U. auch Schadensersatzansprüche Dritter – etwaiger Erben – aus Schlechterfüllung eines Anwaltsvertrages. Nach den später entwickelten Grundsätzen des BGH (vgl. nachfolgend Rdn 2) wäre eine Klage auf Feststellung der Anwaltshaftung u.U. auch schon zu Lebzeiten des Erblassers zulässig. Erhält ein Rechtsanwalt den Auftrag, ein von seinem Mandanten erstrebtes Ziel zu erreichen, muss er anhand des ihm unterbreiteten und womöglich auf seine Frage hin ergänzten Sachverhalts prüfen, ob und gegebenenfalls auf welchem Wege das Ziel erreichbar ist. Bedenken, zu denen die Rechtslage Anlass gibt, sind zu erörtern. Weitere Schritte sind von der aufgrund der Erörterung getroffenen Entscheidung des Mandanten abhängig zu machen. Der Anwalt hat demgemäß dann, wenn mehrere Wege in Betracht kommen, den sichersten zur Wahrung der Interessen seines Auftraggebers zu wählen.
Rz. 2
Vom BGH entschiedener Fall: Wenn ein lebensgefährlich erkrankter Erblasser ein durch Erbvertrag mit Rücktrittsklausel begründetes Alleinerbrecht seiner getrennt lebenden Ehefrau zugunsten seiner Kinder ausschließen will, kommen zwei Maßnahmen in Betracht. Zum einen kann ein Scheidungsverfahren eingeleitet werden (§ 2279 i.V.m. § 2077 BGB), zum anderen kann der Erblasser von dem im Erbvertrag vorbehaltenen Rücktrittsrecht Gebrauch machen (§ 2293 BGB). In Ansehung dessen, dass der Weg über das Scheidungsverfahren mit dem Risiko der nicht rechtzeitigen Zustellung des Scheidungsantrages des erkrankten Erblassers belastet ist, muss der Anwalt, um jede vermeidbare Schädigung des Mandanten auszuschließen, nicht nur den Scheidungsantrag auf den Weg bringen, sondern auch einen Notar zur Beurkundung der Rücktrittserklärung einschalten (§ 2296 BGB).
Rz. 3
In den Schutzbereich des Anwaltsvertrages sind bei dieser Sachlage auch die – zu begünstigenden – Kinder des Erblassers einbezogen. Ist den ausdrücklichen Erklärungen oder dem schlüssigen Verhalten der Parteien des Anwaltsvertrages ein entsprechender Wille zu entnehmen, können grundsätzlich Schutzrechte Dritter entstehen, wenn die zu schützende Personengruppe objektiv abgrenzbar ist.
Dies wurde im konkreten Fall vom BGH bejaht. Für den Anwalt war der Wille des Erblassers, die Erbeinsetzung seiner Kinder anstelle von deren Mutter zu sichern, zweifelsfrei erkennbar. Der Annahme, das Interesse der Kinder an der Erbenstellung sei in den Schutz des Vertrages einbezogen gewesen, steht die fehlende Kenntnis des Anwalts von der Anzahl der Kinder nicht entgegen.
B. Klage auf Feststellung der Notarhaftung vor dem Tod des Erblassers
Rz. 4
Ist ein Erbverzichtsvertrag infolge eines Notarfehlers unwirksam, kann nach der BGH-Rechtsprechung die Klage eines anderen gesetzlichen Erben auf Feststellung der Notarhaftung bereits vor dem Tode des Erblassers zulässig sein.
Zum Schaden in einem solchen Fall: Erhält jemand den gesetzlichen Erbteil oder den Pflichtteil, weil ein zuvor von ihm erklärter Erbverzicht infolge eines Notarfehlers unwirksam ist, wird derjenige, der durch den Erbverzicht begünstigt werden sollte, durch den Notarfehler nur dann geschädigt, wenn der andere wegen der Unwirksamkeit seines Verzichts mehr aus dem Nachlass erhält, als ihm der Erblasser bei wirksamem Verzicht letztwillig zugewandt hätte.
Rz. 5
Der BGH hat das Feststellungsinteresse damit begründet, dass der beklagte Notar seine Haftung leugne und der Kläger beabsichtige, die kurze Verjährungsfrist des § 852 BGB zu unterbrechen. Der Kläger könne den Beklagten noch nicht auf eine konkrete (Geld-)Leistung in Anspruch nehmen, da er einen Schaden frühestens nach dem Ableben des Erblassers (in casu: des Vaters) beziffern könne.
C. Einflussnahme des künftigen Erben auf den Testamentsinhalt des Erblassers
Rz. 6
Der Wirksamkeit eines Testaments steht nicht entgegen, dass der vorgesehene Erbe die Errichtung des Testaments maßgeblich veranlasst hat. Ein Notar hat gemäß § 17 BeurkG den Willen des Erblassers zu erforschen und muss sich bei der Beurkundung davon überzeugen, dass der von dem Dritten vorgetragene Wille mit den eigenen Vorstellungen des Erblassers übereinstimmt, und sich dies von dem Erblasser persönlich bestätigen lassen.
Rz. 7
Eine Belehrungspflicht des Notars nach § 17 Abs. 1 BeurkG gegenüber an der Urkunde formell Nichtbeteiligten kann nur in Ausnahmefällen bestehen. Nach allgemeiner Auffassung kommt eine Belehrungspflicht gegenüber diesen Personen dann in Betracht, wenn im Einzelfall die Voraussetzungen einer notariellen Warnpflicht vorliegen. Dies setzt voraus, dass dem Nichtbeteiligten ein Schaden droht, dessen er sich nicht bewusst ist. Zudem müssen besondere Umstände in der rechtlichen Gestaltung oder der Durchführung des beurkundeten Rechtsgeschäfts bestehen. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass auch eine Warnpflicht nur gegenüber solchen Personen bestehen kann, die ein gegenwärtiges rec...