Rz. 329
In § 2078 Abs. 1 BGB sind die gleichen Tatbestände wie in § 119 Abs. 1 BGB, der Inhalts- und Erklärungsirrtum, geregelt, so dass insoweit die Grundsätze der §§ 119 ff. BGB entsprechend anzuwenden sind.
Rz. 330
Beispiele für einen Erklärungsirrtum sind das Verschreiben beim eigenhändigen Testament (§ 2247 Abs. 1 BGB), der Irrtum des Ehegatten beim gemeinschaftlichen Testament über den Wortlaut der von ihm mitunterschriebenen Verfügung (§ 2267 Abs. 1 BGB), der Irrtum über den Wortlaut der dem Notar übergebenen Verfügung (§ 2232 S. 2 BGB) bzw. der von diesem errichteten Niederschrift (§ 2232 S. 1 BGB) oder die Tatsache, dass der Erblasser eigentlich nur ganz unverbindlich seine Überlegungen zur Regelung des Nachlasses festhalten wollte, tatsächlich aber ein formgültiges eigenhändiges Testament geschaffen hat.
Rz. 331
Bei einem Inhaltsirrtum irrt sich der Erblasser etwa über die rechtliche Bedeutung der Vor- und Nacherbeneinsetzung, über das Vorhandensein einer erbvertraglichen Bindung, über die gesetzliche Erbfolge oder über die Widerrufswirkung der Rücknahme eines öffentlichen Testaments aus der besonderen amtlichen Verwahrung gemäß § 2256 BGB.
Rz. 332
Ein Irrtum über die Rechtsfolgen einer letztwilligen Verfügung berechtigt im Grundsatz nur dann zur Anfechtung, wenn er sich insoweit auf wesentliche Rechtsfolgen und damit auf die Rechtsnatur als solche bezieht.
Rz. 333
Ein Inhaltsirrtum ist dann erheblich, wenn im Hinblick auf den Zweck der Anfechtung und unter Zugrundelegung der subjektiven Denk- und Anschauungsweise des Erblassers die Verfügung unterblieben wäre, wobei sittenwidrige Zielvorstellungen nicht zu berücksichtigen sind. Der Irrtum muss also kausal gewesen sein für die vom Erblasser getroffene Verfügung. Erforderlich ist aber weiter, dass der Irrtum so gewichtig ist, dass er der Verfügung ihre "innere Rechtfertigung" nimmt.
Rz. 334
§ 2078 Abs. 2 BGB behandelt die Anfechtung wegen widerrechtlicher Drohung entsprechend § 123 BGB. Die Drohung ist dann widerrechtlich, wenn das angedrohte Übel oder der angestrebte Erfolg oder aber die Zweck-Mittel-Relation insgesamt unerlaubt ist. Die Drohung bspw. damit, den Erblasser nicht mehr wie bisher zu pflegen, kann auch dann rechtswidrig sein, wenn der Drohende zu der Leistung gar nicht verpflichtet ist, sein Verhalten aber darauf abzielt, den Erblasser in eine konkrete Notsituation zu bringen. Erforderlich ist aber entsprechend des strafrechtlichen Nötigungstatbestands immer die Ankündigung eines Übels, hinsichtlich dessen der Drohende vorgibt, es beherrschen zu können.
Dazu das KG:
Zitat
"Die Äußerung eines Dritten gegenüber dem Erblasser, er werde nicht "in den Himmel kommen", stellt keine Drohung dar, da es sich hierbei nicht um die Ankündigung eines vom Willen des Dritten abhängigen künftigen Übels handelt."
Rz. 335
Ob der Bedachte selbst oder gar ein Unbeteiligter die Drohung verübt hat, spielt im Gegensatz zu § 123 Abs. 2 BGB keine Rolle (auch nicht beim Erbvertrag).
Rz. 336
Zu beachten ist, dass dem Erblasser und dem Dritten i.S.v. § 2080 BGB eine umfassende Anfechtungsmöglichkeit wegen Motivirrtums gemäß § 2078 Abs. 2 BGB zugestanden wird, während dies in § 119 Abs. 2 BGB nur bezüglich verkehrswesentlicher Eigenschaften einer Person oder Sache der Fall ist. Letztere Anfechtungsmöglichkeit ist von Bedeutung bei der Anfechtung der Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft, weil es sich insofern um die Anfechtung einer Willenserklärung unter Lebenden handelt.
Rz. 337
Voraussetzung für die Anfechtung nach § 2078 Abs. 2 BGB ist, dass den Erblasser eine bestimmte Erwartung oder Vorstellung im Zeitpunkt der Testamentserrichtung dazu veranlasst hat, die Verfügung so und nicht anders zu treffen, wobei diese Erwartung oder Vorstellung schließlich fehlgeschlagen sein muss. Beispiele für eine Anfechtung wegen Motivirrtums sind, dass der Erblasser angenommen hat, er oder sein überlebender Ehegatte werde nicht mehr heiraten, einzelne Abkömmlinge seien wirtschaftlich besser gestellt als andere, der Bedachte werde eine bestimmte Gegenleistung erbringen oder sein Vermögen habe einen bestimmten Umfang.
Rz. 338
Die Anfechtung ist dann unbegründet, wenn der Erblasser die zu einem früheren Zeitpunkt errichtete Verfügung vergessen hatte und in der Annahme, es würde die gesetzliche Erbfolge eintreten, die seinem Willen entsprach, die Vornahme einer erneuten anders lautenden Verfügung unterließ. Das gleiche muss gelten, wenn die rechtliche Wirkung einer früher errichteten Verfügung vom Erblasser falsch eingeschätzt wird.
Rz. 339
Grundsätzlich muss der Erblasser einer "gefestigten Erwartung vom künftigen Verlauf unter normalen Umständen" gefolgt sein. Sollte der Erblasser aber trotz erheblicher Zweifel über die Sachlage die Verfügung errichtet haben, ohne sich dadurch gegen den Eintritt oder das Vorliegen anderer Umstände abzusichern, dass er von bestimmten Gestaltungsmöglichkeiten (etwa Bedingung, Testamentsvollstreckung, ...