Rz. 361
Grundsätzlich ist der Vorerbe bis zum Eintritt des Nacherbfalls berechtigt, über die zum Nachlass gehörenden Grundstücke zu verfügen. Zum Schutz der Rechte der Nacherben ist seine Verfügungsmacht jedoch beschränkt (§ 2112 BGB). Eine entgeltliche oder unentgeltliche Verfügung des Vorerben über ein Nachlassgrundstück oder ein Grundstücksrecht, das zum Nachlass gehört, ist im Falle des Eintritts der Nacherbfolge insoweit unwirksam, als sie das Recht des Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen würde (§§ 2113, 2114 BGB).
Unentgeltliche Verfügungen sind auch dem befreiten Vorerben nicht gestattet, § 2113 Abs. 2 BGB. Eine Verfügung ist i.S.v. § 2113 Abs. 2 BGB unentgeltlich, wenn der Vorerbe – objektiv betrachtet – ohne gleichwertige Gegenleistung ein Opfer aus der Erbschaftsmasse bringt und – subjektiv betrachtet – weiß, dass für dieses Opfer keine gleichwertige Gegenleistung zufließt, oder er die Unzulänglichkeit der Gegenleistung hätte erkennen müssen. Bei der Abwägung von Leistung und Gegenleistung ist dem Vorerben ein Ermessensspielraum zuzubilligen, der regelmäßig nicht überschritten ist, wenn sich die Kaufpreisfindung an einem Wertgutachten des Gutachterausschusses orientiert.
Gehört zu einem Nachlass, für den Vor- und Nacherbschaft angeordnet worden ist, ein Anteil an einer Erbengemeinschaft, zu deren Gesamthandvermögen ein Grundstück zählt, kann der Vorerbe über dieses Grundstück ohne die Beschränkungen des § 2113 BGB verfügen.
Zur Vor- und Nacherbfolge vgl. § 14.
Rz. 362
Durch Verfügung von Todes wegen kann der Erblasser dem Vorerben Befreiung von den Beschränkungen des § 2113 Abs. 1 BGB für entgeltliche Verfügungen über ein Grundstück erteilen, nicht jedoch auch die Befreiung von dem Verbot unentgeltlicher Verfügungen nach § 2113 Abs. 2 BGB (§ 2136 BGB).
Ein Nachweis der Entgeltlichkeit als Eintragungsvoraussetzung wird allerdings regelmäßig nicht in der Form des § 29 Abs. 1 GBO geführt werden können, weshalb auch der Freibeweis zugelassen wird. Die Rechtsprechung hat den allgemeinen Satz aufgestellt, dass eine entgeltliche Verfügung anzunehmen ist, wenn die dafür maßgebenden Beweggründe im Einzelnen angegeben werden, verständlich und der Wirklichkeit gerecht werdend erscheinen und begründete Zweifel an der Pflichtmäßigkeit der Handlung nicht ersichtlich sind. Ein solcher Nachweis kann sich auch auf allgemeine Erfahrungssätze stützen. Ein allgemeiner Erfahrungssatz besagt zum Beispiel, dass ein Kaufvertrag mit einem unbeteiligten Dritten ein entgeltlicher Vertrag und keine verschleierte Schenkung ist, wenn die Gegenleistung an den Vorerben bzw. Testamentsvollstrecker erbracht wird. Unbeteiligter Dritter ist dabei eine Person, die bis zum Vertragsschluss in keiner persönlichen oder familiären Nähe zu den Erben stand.
Wird im Kaufvertrag ein Recht am Grundstück vereinbart, wie etwa ein Nießbrauch oder ein Wohnungsrecht, so ergibt sich der Wert der Leistung des Vorerben, indem man vom Wert des Grundstücks noch den Wert des Rechts in Abzug bringt. Denn ein Recht, das der Erwerber bestellt, ist keine Gegenleistung des Erwerbers, sondern mindert den Wert der Leistung des Vorerben.
Zur befreiten Vorerbschaft vgl. § 14 Rdn 28 ff.
Rz. 363
Das Recht des Nacherben sowie eine Befreiung des Vorerben von den Beschränkungen seiner Verfügungsmacht (§ 2136 BGB) werden vom Grundbuchamt von Amts wegen bei Eintragung des Vorerben eingetragen. Wurde die Erbfolge durch Vorlage eines Erbscheins oder eines ENZ nachgewiesen (§ 35 Abs. 1 S. 1 GBO), so ist die in ihm bezeichnete Nacherbfolge mit der dort angegebenen Befreiung einzutragen (§ 352b Abs. 1 FamFG). Wurde die Erbfolge durch Vorlage beglaubigter Abschriften der betreffenden Verfügung von Todes wegen samt Eröffnungsniederschrift nachgewiesen (§ 35 Abs. 1 S. 2 GBO), so wird die Nacherbfolge mit den dort genannten Befreiungen eingetragen. Bei einer Wiederverheiratungsklausel in Form der bedingten Nacherbfolge ist der überlebende Ehegatte zunächst Vollerbe und bleibt es auch, wenn er nicht heiratet. Daneben ist er allerdings auch bedingter Vorerbe. Es ist zwar umstritten, ob bei der bedingten Nacherbeneinsetzung bei Fehlen entgegenstehender Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass der überlebende Ehegatte von den gesetzlichen Beschränkungen der §§ 2113 ff. BGB soweit möglich gem. § 2136 BGB befreit sein soll. Für eine solche Befreiung spricht, dass dem Überlebenden anderenfalls die ihm grds. zugedachte unbeschränkte Stellung als Vollerbe praktisch wieder entzogen würde.
Die Bewilligung der Löschung und der Verzicht auf die Eintragung des Nacherbenvermerks sind zulässig und als Verzicht des Nacherben auf den Schutz des Nacherbenvermerks zu verstehen, lassen aber die Zugehörigkeit des Nachlassgegenstandes zur Vorerbschaft unberührt. Ist bei der Verfügung des Vorerben über ein Nachlassgrundstück die Zustimmung der Nacherben erforderlich, so ist diese Zustimmung von sämtlichen Nacherben zu erklären.
Rz. 364
Im Eintragungsvermerk sind die Anordnu...