Rz. 163

Der Arzt hat gem. § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ein Zeugnisverweigerungsrecht, es sei denn, er ist von der Schweigepflicht entbunden (§ 385 Abs. 2 ZPO). Die Umstände betreffend die Geschäftsfähigkeit gehören zur ärztlichen Schweigepflicht und sind dem Arzt auch im weit zu fassenden Sinne "anvertraut" gem. § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO.[170] Die ärztliche Schweigepflicht endet nicht mit dem Tod des Patienten (§ 203 Abs. 5 StGB); erforderlich ist die Entbindung von der Schweigepflicht, und zwar durch den Erblasser persönlich. Maßgebend ist primär eine positive Willensäußerung des Erblassers zu Lebzeiten gegenüber dem Arzt oder Dritten, ausdrücklich oder konkludent, in zweiter Linie – also wenn sich eine solche positive Äußerung nicht feststellen lässt – der mutmaßliche Wille des Patienten, ob er die Offenlegung durch den Arzt mutmaßlich gebilligt oder missbilligt haben würde.[171] Ein solcher mutmaßlicher Wille dürfte i.d.R. anzunehmen sein, weil der Erblasser ein Interesse daran gehabt haben dürfte, Zweifel über seine Geschäftsfähigkeit aufklären zu lassen. War ein Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments testierfähig und entsprach somit der Inhalt des Testaments seinem tatsächlichen freien Willen, so besteht ein mutmaßliches Interesse des Erblassers an der Klärung dieser Frage, damit das Testament Wirksamkeit entfaltet. Gleiches gilt aber auch umgekehrt für den Fall, dass er bei Errichtung des Testaments testierunfähig war und somit Inhalt und Bedeutung der abgegebenen Erklärungen nicht mehr erfassen konnte. Dann entsprachen die letztwilligen Anordnungen gerade nicht mehr seinem freien Willen.[172]

Damit besitzt der Arzt wegen mutmaßlicher Befreiung von seiner Schweigepflicht gem. § 385 Abs. 2 ZPO kein Zeugnisverweigerungsrecht.

[170] BGHZ 91, 397.
[171] BGHZ 91, 397, 399.

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