Dr. Wolfgang Kürschner, Karl-Hermann Zoll
Rz. 68
§ 241 BGB: Pflichten aus dem Schuldverhältnis
(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.
(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.
§ 280 BGB: Schadensersatz wegen Pflichtverletzung
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
BGB – Abschnitt 3 – Schuldverhältnisse aus Verträgen – Titel 1 Begründung, Inhalt und Beendigung
§ 311 BGB: Rechtsgeschäftliche und rechtsgeschäftsähnliche Schuldverhältnisse
(1) Zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft sowie zur Änderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses ist ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt.
(2) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 entsteht auch durch
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die Aufnahme von Vertragsverhandlungen, |
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die Anbahnung eines Vertrags, bei welcher der eine Teil im Hinblick auf eine etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung dem anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut, oder |
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ähnliche geschäftliche Kontakte. |
(3) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 kann auch zu Personen entstehen, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen. Ein solches Schuldverhältnis entsteht insbesondere, wenn der Dritte in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst.
I. Schadensersatz wegen Pflichtverletzung bzw. positiver Vertragsverletzung
1. Rechtsnatur und Systematik
Rz. 69
Am 1.1.2002 ist das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts in Kraft getreten. Mit der Reform wurde das Verjährungsrecht, das Recht der Leistungsstörungen, das Kaufrecht und das Werkvertragsrecht grundlegend überarbeitet und umfassend modernisiert. Zahlreiche Sondergesetze wurden in das BGB integriert, wie beispielsweise das AGB-Gesetz, das Fernabsatzgesetz, das Haustürwiderrufsgesetz, das Verbraucherkreditgesetz und das Teilzeit-Wohnrechtegesetz. Auch von der Rechtsprechung entwickelte Rechtsinstitute, insbesondere das der sog. positiven Forderungsverletzung (oder synonym: positiven Vertragsverletzung – pVV) sowie das Rechtsinstitut des Verschuldens beim Vertragsschluss (synonym: culpa in contrahendo, c.i.c.) und das des Wegfalls der Geschäftsgrundlage wurden im BGB aufgenommen. Zugleich wurden verschiedene europäische Richtlinien umgesetzt. Da die gesetzlichen Regelungen auf der Entwicklung in der Rechtsprechung aufbauen, ohne ihr allerdings Grenzen setzen zu wollen, kann für die Auslegung weiterhin auf die bis dahin ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden.
Rz. 70
Unter den Begriff der positiven Vertragsverletzung (pVV) fielen alle Pflichtverletzungen im Rahmen eines bestehenden Schuldverhältnisses, die weder Unmöglichkeit noch Verzug herbeiführen und deren Rechtsfolgen nicht von den Gewährleistungsvorschriften erfasst werden; als Haupttypen der pVV wurden "Schlechtleistung" und "Verletzung von Nebenpflichten" unterschieden. Indem der ungeschriebene Tatbestand der pVV durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz in § 280 BGB n.F. aufgenommen wurde, ist die frühere Gesetzeslücke des Leistungsstörungsrechts geschlossen; gelegentlich wird auch in der jüngeren Rechtsprechung der Begriff der positiven Vertragsverletzung bzw. positiven Forderungsverletzung noch weiter verwendet und darauf hingewiesen, dass der damit gemeinte Tatbestand nunmehr von § 280 BGB erfasst wird.
Rz. 71
Die Schadensersatzregeln des Leistungsstörungsrechts bauen auf § 280 Abs. 1 BGB als einheitlichem Haftungstatbestand auf. Auch Unmöglichkeit und Verzug werden von § 280 BGB erfasst, wobei sich ergänzende Regelungen in § 283 BGB und § 286 BGB finden. § 280 BGB gilt für sämtliche Verträge, für nachvertragliche Pflichten, für vertragsähnliche Sonderverbindungen und für gesetzliche Schuldverhältnisse. § 280 BGB genügt als Schadensersatznorm dann, wenn "einfacher" Schadensersatz verlangt wird. Musterbeispiel ist der Ersatz des Schadens, den sich ein potenzieller Käufer beim Betreten eines Warenhauses zuzieht, wenn er auf einer Bananenschale ausgerutscht ist (vgl. dazu auch unten Rdn 74 und Rdn 99 f.). Soll dagegen nicht nur einfacher Schadensersatz, sondern "Schadensersatz statt der Leistung" (früher: Schadensersatz wegen Nichterfüllung) beansprucht werden, so müssen zusätzliche Voraussetzungen hinzutreten, die in § 281 BGB bis § 283 BGB geregelt sind. Diese zusätzlichen Bedingungen...