Stephan Kohlhaas, Phillip Hartmann
Rz. 45
Die Rechtsprechung erwartet vom Anwalt auch eine Büroorganisation, die reibungslose Abläufe gewährleistet, so dass Akten nicht verlegt und materielle oder prozessuale Fristen nicht versäumt werden können.
Im Rahmen der gesetzeskonformen Büroorganisation darf der Anwalt bestimmte Vorgänge auch delegieren. Die Rechtsberatung obliegt allerdings ihm allein. Kostenfestsetzungen und in gewissem Rahmen auch die Zwangsvollstreckung darf der Anwalt auf nicht-anwaltliche Mitarbeiter übertragen. Bei der Übertragung von Aufgaben auf seine Mitarbeiter muss der Anwalt aber allergrößte Vorsicht walten lassen. So ist z.B. die Angabe des Berufungsgerichts ein nicht delegierbarer Kernbestandteil des Fristverlängerungsantrages und muss vom unterzeichnenden Rechtsanwalt, insbesondere – wegen evtl. arbeitsteiliger Schriftsatzerstellung – in Sozietäten grundsätzlich selbst kontrolliert werden.
Rz. 46
Post-it-Zettel genügen nach der einschlägigen Rechtsprechung für eine ordnungsgemäße Fristenorganisation ebenso wenig, wie Fristenzettel, die mit Büroklammern an der Akte befestigt werden oder auf den Schreibtisch der Sekretärin gelegte Fristenzettel. Mündliche Anweisungen lässt die Rechtsprechung demgegenüber durchaus genügen. Diese müssen aber nachweisbar erfolgt sein.
Ein erhöhter Verantwortungsmaßstab gilt für Rechtsanwälte im Hinblick auf fristgebundene Verfahrenshandlungen, wie zum Beispiel die Einlegung von Rechtsmitteln. Der Anwalt ist in diesem Zusammenhang gehalten, diesbezügliche Fristvermerke in der Handakte zu überprüfen. Dies gilt auch dann, wenn die Handakte nicht mehr in Papierform, sondern elektronisch geführt wird.
Rz. 47
In den Handakten des Anwalts muss – auch im Zeitalter der EDV – alles schriftlich notiert und zum Bestandteil der Akte gemacht werden. Anhand der Handakte muss er, wenn ihm diese zur Erstellung der Berufungsbegründung vorgelegt wird, z.B. auch die Einhaltung der Berufungsfrist prüfen, die zudem ordnungsgemäß notiert werden muss. Wird dem Rechtsanwalt die Handakte zur Wahrung der Beschwerdefrist vorgelegt, hat er stets auch die korrekte Notierung der Begründungsfrist zu prüfen.
Rz. 48
Schriftform verlangt die Rechtsprechung auch unverändert für den Kalender des Anwalts; elektronische Kalender genügen den Anforderungen der Rechtsprechung grundsätzlich, müssen aber eine identische Überprüfungssicherheit bieten wie traditionelle Kalender. Maßstab für die umfangreiche Rechtsprechung ist, dass die ordnungsgemäße Führung eines Fristenkalenders gewährleisten soll, fristwahrende Schriftsätze rechtzeitig zu erstellen und zu versenden. Sie dient nicht der Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der schriftsätzlichen Ausführungen.
Bei elektronischen Kalendern muss der Anwalt daher dafür sorgen, dass sich durch Ausdruck der Eingaben oder durch Fehlerprotokoll kontrollieren lässt, welche Eingaben das Programm nicht umgesetzt hat; außerdem ist ein Service- und Reparaturvertrag mit einem Fachbetrieb erforderlich. Wird der Kalender nicht täglich ausgedruckt, dann muss der Anwalt sicherstellen, dass neue Fristen oder Friständerungen handschriftlich im Ausdruck vermerkt werden. Auch kleinere Kanzleien sind zur Führung eines Kalenders verpflichtet. Der Kalender ist täglich zu prüfen. Er soll das Gedächtnis des Anwalts ersetzen. Lose Blätter, die herausfallen könnten, genügen nicht. Der Beginn einer Frist ist in der Akte zu notieren, das Ende der Frist im Kalender. Einzutragen ist die exakt berechnete Frist.
Eine Frist darf im Fristenkalender erst gestrichen werden, wenn der fristwahrende Schriftsatz zumindest in einer Weise versandfertig gemacht worden ist, dass er noch am gleichen Tag zur Post oder zum Gericht gelangt.
Rz. 49
Grundsätzlich festzuhalten ist, dass der Anwalt sich nur dann auf mangelndes eigenes Verschulden i.S.d. § 85 Abs. 2 ZPO berufen kann, wenn er eine ordnungsgemäße Büroorganisation glaubhaft machen kann.
Die Berechnung der Fristen darf der Anwalt auch delegieren. Er darf diese Aufgabe aber nur zuverlässigem Personal und keineswegs einer Auszubildenden übertragen und muss zudem die Stellvertretung festlegen. Für arbeitsrechtlichen Verfahren gilt diese Delegationsbefugnis aber immer noch ebenso wenig wie für Revisionsfristen in verwaltungs- und sozialgerichtlichen Verfahren.
Rz. 50
Empfangsbekenntnisse darf der Anwalt erst unterschreiben, nachdem er das zugestellte Schriftstück überprüft hat und nur, wenn er positiv weiß, dass etwaige Fristen im Kalender eingetragen sind.
Rz. 51
Sehr weitgehend ist auch die Rechtsprechung zum Postausgang. Er ist zu kontrollieren. Es genügt nicht, wenn der Anwalt sich abends durch einen Blick in das entsprechende Fach überzeugt, ob es leer ist; die Kontrolle soll dem Anwalt vielmehr einen "positiven" Rückschluss auf die Absendung der herausgehenden Dokumente ermöglichen. Unterhält die Kanzlei kein Postausgangsbuch, da...