Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 371
Das GmbHG enthält keine Regelungen zum Umgang mit (potentiell) mangelbehafteten Gesellschafterbeschlüssen. Nach h.M. werden hier die §§ 241 ff. AktG entsprechend angewendet. Die Unwirksamkeit eines Beschlusses muss mit einer fristgebundenen Anfechtungsklage geltend gemacht werden und nicht lediglich mit einer Anfechtungserklärung. Die Abgrenzung zwischen anfechtbaren und nichtigen Beschlüssen geschieht nach den Maßgaben der §§ 241, 243 AktG.
Rz. 372
Für die Geltendmachung des Anfechtungsgrundes hat die Monatsfrist aus § 246 AktG Leitbildfunktion und gilt i.d.R. als die einzuhaltende Frist. Diese Frist kann nur geringfügig und nur dann überschritten werden, wenn zwingende Umstände vorliegen, die den Kläger an einer früheren Klageerhebung gehindert haben, z.B. schwierige tatsächliche und rechtliche Fragen, die für die Erfolgsaussichten der Klage bedeutsam sind. Für den Beginn der Frist ist erforderlich, dass der Anfechtungsberechtigte Kenntnis von der Beschlussfassung erlangt hat, d.h. insbes. von dem Stattfinden einer Gesellschafterversammlung und auch von der Tagesordnung. Kennt er die Tagesordnung, hängt der Fristbeginn jedoch nicht davon ab, dass er darüber hinaus noch von dem konkret gefassten Beschluss mit seinem Beschlussinhalt erfahren hat. Vielmehr muss er sich dann selbst erkundigen und darf nicht erst die Übermittlung des Beschlussprotokolls abwarten. Innerhalb der Klagefrist sind bereits alle Anfechtungsgründe in ihrem wesentlichen Kern geltend zu machen.
Rz. 373
Als Anfechtungsgründe (§ 243 AktG) kommen im Wesentlichen Verstöße gegen Gesetz oder Satzung, das Erstreben von Sondervorteilen zum Schaden der GmbH oder ihrer Gesellschafter, ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung sowie ein Verstoß gegen Treuepflichten in Betracht. Wird Anfechtungs- (oder Nichtigkeits-)Klage erhoben, ist Streitgegenstand das mit der Klage verfolgte Ziel der richterlichen Klärung der Nichtigkeit eines Gesellschafterbeschlusses in Bezug auf dessen fehlende Übereinstimmung mit Gesetz oder Satzung hinsichtlich Gegenstand, Inhalt sowie des zur Beschlussfassung führenden Verfahrens. Der BGH lehnt aus Gründen der Rechtssicherheit eine weiter gehende Unterteilung des Streitgegenstandes nach den einzelnen, der Beschlussfassung zugrunde liegenden Elementen und den ihnen anhaftenden Fehlern ab, um eine einheitliche Überprüfung des Beschlusses unabhängig von Umfang und Einzelheiten des Klägervorbringens sicherzustellen.
Rz. 374
Wird eine Anfechtung auf einen bloßen Verfahrensmangel gestützt, muss dieser Mangel nach der Rspr. für das Beschlussergebnis kausal sein. Diese Kausalität wird jedoch vermutet und entfällt dann, "wenn klar zu Tage tritt, dass der Beschluss auch bei Ordnungsmäßigkeit der Einladung in gleicher Weise zustande gekommen wäre, bei vernünftiger Beurteilung also unter keinen Umständen in Betracht kommt, daß der von dem Mangel betroffene Gesellschafter das Ergebnis hätte beeinflussen können". Die Lit. stellt überwiegend auf die Erheblichkeit bzw. Relevanz des Verfahrensfehlers ab – z.T. neben, z.T. anstelle der Kausalität –, kommt damit aber weitgehend zu gleichen Ergebnissen.
Eine Anfechtungsklage gegen den in einer fehlerhaft einberufenen Gesellschafterversammlung gefassten Beschluss kann schon aus formellen Gründen, z.B. wegen mangelhafter Aussagen der Tagesordnung, Erfolg haben. Das OLG Düsseldorf erachtete einen Gesellschafterbeschluss, der am unzulässigen Versammlungsort gefasst wurde, als anfechtbar, da dieser Verfahrensverstoß bei wertender Betrachtung für das Beschlussergebnis relevant sei. Das OLG Hamm hat einer Anfechtungsklage gegen Beschlüsse der Mehrheitsgesellschafter stattgegeben, die in einer Versammlung getroffen wurden, zu der Minderheitsgesellschafter nicht zugelassen waren.
Stimmt – z.B. nach einer Anteilsveräußerung – ein Nichtgesellschafter statt des wahren Gesellschafters in der Gesellschafterversammlung ab, ist die Stimmabgabe des Nichtgesellschafters unwirksam. War die Stimme für das Abstimmungsergebnis relevant, ist der Beschluss anfechtbar. Wer stimmberechtigter Gesellschafter i.S.d. § 47 GmbHG ist, richtet sich nach § 16 GmbHG.
Wird ein Einberufungs- oder Ankündigungsmangel erst nach der Abstimmung in der Vollversammlung der Gesellschafter über einen Gesellschafterbeschluss gerügt, genügt dies nicht, um die Heilungswirkung des § 51 Abs. 3 GmbHG auszuschließen. In einem sehr kritisch zu betrachtenden Urteil hat das LG Duisburg vertreten, das notwendige Einverständnis aller Gesellschafter zur Abhaltung einer Vollversammlung nach § 51 Abs. 3 GmbHG könne für eine Gesellschafterin in Form einer GmbH ausschließlich durch deren gesetzlichen Vertreter erklärt werden; eine rechtsgeschäftliche Vertretung in der Gesellschafterversammlung genüge demnach nicht. Dies führt zu der unzumutbaren Situation, dass ausschließlich der Geschäftsführer der Gesellschafterin wirksam für diese eine Zustimmung zur Vollver...