Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 1900
Fehlerhafte Hauptversammlungsbeschlüsse führen entweder zur Anfechtbarkeit der Beschlüsse oder zur Nichtigkeit. Keine Probleme bestehen, wenn die Fehlerhaftigkeit der Beschlüsse bereits im Eintragungsverfahren festgestellt wird und die Eintragung im Handelsregister unterbleibt. Mangels Eintragung entfalten die fehlerhaften Kapitalmaßnahmen keine Rechtswirkung. Die fehlerhaften Beschlüsse für die Kapitalmaßnahmen sind daher ggf. unter Vermeidung der Fehlerhaftigkeit zu wiederholen bzw. entsprechend zu ergänzen. Anders ist die Rechtslage dagegen, wenn die fehlerhaften Beschlüsse im Handelsregister eingetragen wurden und sich erst im Nachhinein die Fehlerhaftigkeit herausstellt:
Liegt lediglich ein zur Anfechtung berechtigender Rechtsfehler vor und wird keine Anfechtungsklage erhoben, bleibt es bei der Wirksamkeit des an sich fehlerhaften Beschlusses. Besonderheiten bestehen nicht.
Rz. 1901
Wird eine Anfechtungsklage erfolgreich erhoben, wird der angefochtene Beschluss gem. § 248 AktG für nichtig erklärt und zeitigt keine Rechtsfolgen. Das Anfechtungsurteil ist ebenso wie der angefochtene Hauptversammlungsbeschluss in das Handelsregister einzutragen und bekannt zu machen (§ 248 Abs. 1 Satz 3 und Satz 4 AktG).
Rz. 1902
Während die frühere Ansicht davon ausging, dass die Gestaltungswirkung von Anfechtungs- oder Nichtigkeitsurteilen "ex tunc" eintrete, die Kapitalmaßnahme also von Anfang an als unwirksam zu behandeln ist, geht nunmehr die h.M. auch bei fehlerhaften Kapitalmaßnahmen von einer Anwendung der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft aus. Dies gilt auch, wenn die Durchführung der Kapitalerhöhung zunächst im Handelsregister eingetragen worden ist. Die Regeln der fehlerhaften Gesellschaft setzen voraus, dass die Beteiligten auf den Abschluss eines Gesellschaftsvertrages gerichtete Willenserklärungen abgegeben haben, die Gesellschaft in Vollzug gesetzt worden ist und keine gewichtigen Interessen der Allgemeinheit oder einzelner der Anwendung der Regeln über die fehlerhafte Gesellschaft entgegenstehen.
Rz. 1903
Wesentliche Rechtsfolge der Anwendung der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft ist es, dass von einem Bestandsschutz der fehlerhaften Kapitalmaßnahme bis zur Rechtskraft des Beschlussmängelurteils auszugehen ist. Die Kapitalmaßnahme ist bis zu diesem Zeitpunkt im Innen- und Außenverhältnis als wirksam zu behandeln. Das Anfechtungs- oder Nichtigkeitsurteil wirkt nur ex nunc. Für die betroffenen Gesellschafter bedeutet dies, dass diese bis zu diesem Zeitpunkt ihr Stimmrecht entsprechend der für wirksam erachteten Kapitalmaßnahme ausüben können. Alle Gestaltungsakte, an denen sie teilgenommen haben, wie insb. Satzungsänderungen, sind und bleiben wirksam. So ist bspw. auch eine weitere Kapitalerhöhung wirksam, die auf einer fehlerhaften Kapitalerhöhung aufbaut. Gleiches gilt auch für ausgeschüttete Gewinne, die nicht mehr zurückgefordert werden können sowie für bereits entstandene Gewinnansprüche, die nicht erlöschen. Ebenso zulässig ist die Übertragung von Aktien.
Rz. 1904
Besondere Rechtsfolgen für Gläubiger in der Gesellschaft ergeben sich nicht. Auch für sie gilt, dass die Kapitalmaßnahme als wirksam anzuerkennen ist. Bei einer unwirksamen, gleichwohl im Handelsregister eingetragenen Kapitalerhöhung haftet ihnen ggü. das erhöhte Grundkapital. Flankiert wird der Gläubigerschutz dadurch, dass trotz der festgestellten Nichtigkeit der Kapitalmaßnahme die Gesellschafter ihre Einlagen zu leisten haben, soweit es zur Erfüllung der eingegangenen Verbindlichkeiten erforderlich ist (§ 277 Abs. 3 AktG).