Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 2193
Der Verwaltungsrat führt gem. Art. 43 Abs. 1 Satz 1 SE-VO als Leitungsorgan der Gesellschaft die Geschäfte der Gesellschaft. Der deutsche Gesetzgeber verwendet in den §§ 20 ff. SEAG die Formulierung "leitet die Gesellschaft". Dabei fehlt jedoch der in § 76 Abs. 1 AktG enthaltene Zusatz "unter eigener Verantwortung".
Rz. 2194
§ 23 SEAG enthält die Mindest- und Höchstzahlen an Verwaltungsratsmitgliedern (ähnlich § 76 Abs. 2 und § 95 AktG, die aber nicht passen, da sie auf das dualistische Leitungssystem zugeschnitten sind). Grds. soll der Verwaltungsrat drei Mitglieder haben, die Satzung kann aber eine geringere Anzahl vorsehen, wenn das Grundkapital 3 Mio. EUR nicht überschreitet. Die Leitung einer "kleinen SE" mit einem monistischen System kann damit sehr klein gehalten werden. Der Verwaltungsrat kann auch nur aus einer Person bestehen. Daneben muss ein externer geschäftsführender Direktor bestellt werden, da die nicht geschäftsführenden Verwaltungsratsmitglieder gem. § 40 Abs. 1 Satz 2 SEAG die Mehrheit im Verwaltungsrat stellen müssen. Im Gegensatz zu einer AG mit dualistischem System, bei der mindestens vier Personen die Spitze der Gesellschaft bilden (ein Vorstandsmitglied und drei Aufsichtsräte) reichen bei der SE mit monistischem Leitungssystem zwei Personen aus. Diese Möglichkeit stellt einen echten (Kosten-)Vorteil der SE ggü. einer AG dar. Nur bei einer Europäischen Aktiengesellschaften mit einem Grundkapital von mehr als 3 Mio. EUR muss der Verwaltungsrat aus mindestens drei Mitgliedern bestehen. Die Beteiligung der Arbeitnehmer nach dem SEBG bleibt davon unberührt.
Rz. 2195
Die Bestellung der Mitglieder des Verwaltungsrates erfolgt gem. Art. 43 Abs. 3 SE-VO durch die Hauptversammlung. Der erste Verwaltungsrat kann durch Satzung bestimmt werden. Die Mitglieder können mehrerer Male wiederbestellt werden, sofern die Satzung keine Einschränkungen enthält. Die Hauptversammlung kann das einzelne Mitglied mit einer Mehrheit von ¾ der abgegebenen Stimmen wieder abberufen, sofern es sich nicht um Mitglieder handelt, die durch die Bindung an einen Wahlvorschlag gewählt worden sind. Auch die durch die Aktionäre gewählten/entsandten Mitglieder können durch die Hauptversammlung abberufen werden.
Rz. 2196
Bzgl. der Arbeitnehmerbeteiligung geht die SE-RL davon aus, dass zwischen den Leitungen der beteiligten Gesellschaften und dem besonderen Verhandlungsgremium eine Verhandlungslösung zur Beteiligung der Arbeitnehmer erzielt wird. Bei Scheitern greift die Auffanglösung. Aus diesem Grund sitzen in einer mitbestimmten Europäischen Aktiengesellschaft mit monistischem Leitungssystem Arbeitnehmervertreter gem. den Vorschriften des § 76 BetrVG 1952 bzw. des § 1 MitbestG. Dies macht das monistische System für mitbestimmte Gesellschaften wenig attraktiv. Die Berechnung des Anteils der Arbeitnehmervertreter ist an die Anzahl der Mitglieder des Verwaltungsrates gekoppelt.
§ 40 Abs. 1 SEAG schreibt zur Trennung zwischen Geschäftsführung und der allgemeinen Unternehmensleitung der Gesellschaft die Bestellung mindestens eines geschäftsführenden Direktors vor. Aus dieser Trennung folgt, dass der Berechnung der Anzahl der Mitglieder der Arbeitnehmervertreter die Anzahl der nicht geschäftsführenden Verwaltungsratsmitglieder zugrunde gelegt wird. Soweit die geschäftsführenden Direktoren aus dem Kreis der Verwaltungsratsmitglieder kommen, ist Berechnungsgrundlage die Zahl der Verwaltungsratsmitglieder abzgl. der Zahl der geschäftsführenden Direktoren.
Teilweise wird in der Literatur angenommen, dass das Mitbestimmungsrecht innerhalb des Verwaltungsrates in einer monistisch verfassten Europäischen Aktiengesellschaft gegen Art. 14 GG verstoße. Die Regelungen zur Mitbestimmung seien auf das dualistisch verfasste Leitungssystem zugeschnitten. Die Arbeitnehmervertreter seien nur in dem Aufsichtsorgan (Aufsichtsrat) der Gesellschaft vertreten und hätten keinerlei Leitungsbefugnisse. In einer dualistisch verfassten Gesellschaft leitet der Vorstand der Gesellschaft gem. § 76 Abs. 1 AktG unter eigener Verantwortung. Diese Formulierung schließt eine Weisungsgebundenheit ggü. dem Aufsichtsorgan mit den Arbeitnehmervertretern aus. Der Verwaltungsrat hat jedoch die Leitung der Gesellschaft inne, Art. 43 Abs. 1 SE-VO, § 22 Abs. 1 SEAG. Der Verwaltungsrat muss permanent über die Strategien in der Gesellschaft entscheiden. Den geschäftsführenden Direktoren ist zwar das Tagesgeschäft übertragen, sie führen die Geschäfte im Gegensatz zu einem Vorstand gem. § 40 Abs. 2 Satz 1 SEAG aber nicht unter eigener Verantwortung. Aus diesem Grund stelle die Mitentscheidungsbefugnis der Arbeitnehmervertreter einen unzulässigen Eingriff in die Rechte der Anteilseigner aus Art. 14 GG dar.