Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 111
Der BGH versucht den Begriff der Mantelgesellschaft zu definieren und erfasst damit sicherlich eine überwiegende Zahl der betroffenen Gesellschaften eindeutig, und zwar solche, die ehemals unternehmerisch aktiv waren und ihre Geschäftstätigkeit völlig eingestellt haben. Diese Gesellschaften liegen nicht selten in der Hand von Konzernen oder in der Hand von Insolvenzverwaltern, sind häufig Jahrzehnte alt (im BGH-Fall 30 Jahre) und man bemüht sich schlichtweg darum mit diesen Gesellschaften noch etwas "anzufangen". Es sollen erneute Gründungskosten vermieden werden. Ein erstes Abgrenzungsproblem ergibt sich zu solchen Gesellschaften, die geschäftlich aktiv sind und lediglich vollständig ihren Unternehmensgegenstand wechseln.
Beispiel
A betreibt einen Blumenhandel. Infolge stark rückläufigen Umsatzes entschließt er sich zu einem Handel mit Handys.
Zur Abgrenzung findet sich in der BGH-Entscheidung folgende unklare Passage:
Zitat
(...) Für die Abgrenzung der Mantelverwendung von der Umorganisation oder Sanierung einer (noch) aktiven GmbH ist entscheidend, ob die Gesellschaft noch ein aktives Unternehmen betrieb, an das die Fortführung des Geschäftsbetriebes – sei es auch unter wesentlicher Umgestaltung, Einschränkung oder Erweiterung seines Tätigkeitsgebietes – in irgendeiner wirtschaftlich noch gewichtbaren Weise anknüpft (sprich: 1. Alt.) oder ob es sich tatsächlich um einen leer gewordenen Gesellschaftsmantel ohne Geschäftsbetrieb handelt, der seinen – neuen oder alten – Gesellschaftern nur dazu dient, unter Vermeidung der rechtlichen Neugründung einer die beschränkte Haftung gewährleistenden Kapitalgesellschaft eine gänzlich neue Geschäftstätigkeit – ggf. wieder – aufzunehmen (...) (sprich: 2. Alt.).
Dies könnte bedeuten, dass eine im laufenden Geschäftsbetrieb vorgenommene völlige Umorganisation nicht als Mantelverwendung verstanden werden kann, da ja – vgl. die 2. Alt. – kein (völlig) leer gewordener Gesellschaftsmantel (sog. "leere Hülse") ohne Geschäftsbetrieb vorliegt. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass bei einer völligen Umstellung des Unternehmensgegenstandes und der Aufnahme eines gänzlich anderen Geschäftsbetriebes man daran zweifeln kann, ob an das vorherige Unternehmen "in gewichtbarer Weise angeknüpft" wird. Die Rechtslage ist also dort unklar, wo nicht noch "ein bisschen" im bisherigen Fahrwasser weitergeschwommen wird.
Rz. 112
Nach hier vertretener Auffassung ist das zweite vom BGH genannte Abgrenzungskriterium maßgeblich. Nur dann, wenn der Geschäftsbetrieb eingestellt ist und die GmbH unternehmenslos war, kann man die Verwendung des Mantels der Neugründung gleichstellen, zumal auch bei einer völligen Umstellung des Geschäftsbetriebes an das bisherige Unternehmen ohne Unterbrechung bspw. im Bereich der inneren Organisation (Buchhaltung etc.) angeknüpft wird. Auch das LG Berlin ist der Auffassung, dass die bloße Umorganisation eine erneute Gründungskontrolle nicht rechtfertigt. Hingegen hat das LG Köln in der entgeltlichen Veräußerung des aktiven Handelsgeschäfts und unmittelbar folgender Beschränkung der Tätigkeit der Gesellschaft auf die Verwaltung eigenen Vermögens eine wirtschaftliche Neugründung gesehen. Das LG Köln verneint zum einen eine wirtschaftlich gewichtbare Anknüpfung an den bisherigen Geschäftsbetrieb. Es behandelt insb. auch eine sofortige Ausstattung der Gesellschaft mit einem neuen Geschäftsbetrieb nach Aufgabe des bisherigen als wirtschaftliche Neugründung, da aus Gläubigersicht die Dauer der Inaktivität nicht entscheidend sein könne und zudem anderenfalls Abgrenzungsschwierigkeiten hinsichtlich der erforderlichen Dauer der Inaktivität entstünden. Auch das OLG Schleswig hat in der Veräußerung der Geschäftsanteile, einer zeitweiligen Einstellung des bisherigen Unternehmensgegenstandes Speditionsgeschäfte, einem Wechsel der Gesellschaftsaktivitäten in das Beteiligungsgeschäft und einer Sitzverlegung ein Anknüpfen der neuen Tätigkeit an den bisherigen Geschäftsbetrieb verneint und eine wirtschaftliche Neugründung bejaht.
Rz. 113
Der BGH hat seine Rspr. zur Frage, wann eine Gesellschaft als "Mantelgesellschaft" zu definieren ist, präzisiert. Eine Mantelgesellschaft liege vor, wenn es sich um eine sog. "leere Hülse" handele. Dies sei dann nicht (mehr) der Fall, wenn die Gesellschaft konkrete Aktivitäten zur Planung und Organisation des Geschäftsbetriebes entwickele.
Auch in der Phase der Abwicklung und Liquidation stellt sich die – hier noch diffizilere – Abgrenzungsfrage zwischen "leerer Hülse" und unternehmerischer Tätigkeit in Form der Abwicklung, welche naturgemäß geringer ausfällt als eine reguläre Geschäftstätigkeit. Nach Auff. des Kammergerichts liegt bei einer Gesellschaft, die kein Geschäft mehr betreibt, dann keine leere Hülse vor, wenn sie noch mit der Abwicklung ihres Geschäftsbetriebs befasst ist. Diese Auff. bestätigt der BGH und passt gleichzeitig die Abgrenzungsgrundsätze zwischen wirtschaftlicher Neugründung...