Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 96
Die Vorratsgesellschaft ist eine nur zur Weiterveräußerung gegründete Gesellschaft, die niemals unternehmerisch tätig war. Sie dient nur der Abkürzung des Gründungsvorganges. Eine existente – weil eingetragene – GmbH soll sofort verfügbar sein, damit nicht erst das haftungsträchtige Stadium der Vor-GmbH durchlaufen werden muss.
Wird die Vorratsgründung dadurch offengelegt, dass der in der Satzung der Gesellschaft niedergelegte Unternehmensgegenstand die tatsächlich beabsichtigte Tätigkeit der Gesellschaft in diesem Stadium, nämlich die "Verwaltung eigenen Vermögens" verlautbart, so spricht man von einer "offenen Vorratsgründung", die seit Langem allgemein für zulässig erachtet wird.
Eine sog. "verdeckte Vorratsgründung" liegt dagegen vor, wenn lediglich ein fiktiver oder zumindest nicht ernstlich gewollter Unternehmensgegenstand in der Satzung angegeben wird. Die zum Unternehmensgegenstand in der Satzung gemachten Angaben sind wegen ihres fiktiven Gehalts nichtig, führen zur Gesamtnichtigkeit der Satzung und damit zur Nichtigkeit der Gesellschaftsgründung insgesamt.
Die Vorrats-GmbH (wie auch die Mantelgesellschaft) wird i.d.R. dadurch zu wirtschaftlichem Leben erweckt ("wirtschaftliche Neugründung"), dass ihre Anteile an einen Dritten veräußert werden. Im Wege einer Satzungsänderung bestimmt der Dritte dann den für das "wirtschaftliche Leben" beabsichtigten Unternehmensgegenstand. Weiter wechselt er die Geschäftsführung der Gesellschaft aus und verlegt häufig den Sitz der Gesellschaft.
Rz. 97
Auf dem deutschen Markt werden Vorratsgesellschaften in den Formen der GmbH, der UG (haftungsbeschränkt), der AG, der SE, der KG sowie der GmbH & Co. KG von zahlreichen gewerblich tätigen Unternehmen vertrieben. Teilweise sind diese Vorratsgesellschaften mit dem vollen gesetzlichen Stammkapital ausgestattet und werden als GmbH zu Preisen zwischen 27.000,00 EUR und 28.000,00 EUR (AG: ca. 55.000,00 EUR; SE: ca. 130.000 EUR) verkauft.
Bei vielen der Vorratsgesellschaften ist auf dem Konto der Gesellschaft seit Gründung der Gesellschaft nur der für die Gründung absolut notwendige Gründungsaufwand (Notargebühren/Handelsregister- und Bekanntmachungskosten) abgebucht. Die Konten sind i.d.R. zinsfrei geführt und werden ohne Kontoführungsgebühren betrieben. Die Verkäufer der Vorratsgesellschaften entnehmen dem Konto keine Beratungskosten bei der Gründung und auch keine Kosten für die Weiterveräußerung sowie der Beratung bei der Weiterveräußerung. Mit Bilanzierungskosten etc. wird die Gesellschaft nicht belastet. Z.T. werden jedoch die IHK-Beiträge abgebucht.
Rz. 98
Bei anderen Formen von Vorratsgesellschaften werden teilweise niedrigere Preise verlangt, jedoch ist das Stammkapital nicht in gleicher Weise vorhanden und es werden insb. zusätzliche Kosten für die "Beratung" bei der Weiterveräußerung und Erstellung der Entwürfe abgerechnet. Auch aus den noch nachstehend aufzuführenden Gründen ist auf den Verlauf der Kontenbewegungen seit der Gründung der Gesellschaft besonderes Augenmerk zu legen.
Rz. 99
In aller Regel verlangen die Anbieter, dass die Käufer den Kaufpreis vorweg bezahlen oder aber im Notartermin begleichen. Wird – wie teilweise praktiziert – nur eine Anteilsabtretung unter der Bedingung der Kaufpreiszahlung vorgesehen, so ist zu berücksichtigen, dass der Erwerber nicht sofort aktionsfähig ist:
Die Abberufung und Neubestellung der Geschäftsführung und Satzungsänderungen muss der Veräußerer entweder mit beschließen oder aber zurückstellen bis zum Eintritt der Bedingung und Aufnahme der neuen Gesellschafterliste ins Handelsregister. Die erste Variante ist für den Veräußerer äußerst gefährlich, da der Erwerber nun möglicherweise Risikogeschäfte tätigen und mit diesen die "Altgesellschaft" verpflichten könnte. Das bloße Zurückhalten der Registeranmeldung ist nur eingeschränkt hilfreich, da ja der Geschäftsführer mit der Bestellung wirksam im Amt ist. Sein Handeln geht zulasten der GmbH. Bedenkt man, dass die Altgesellschafter so das Stammkapital verlieren und möglicherweise sogar weitergehend haften, wenn sie sich mit der tatsächlichen Geschäftsaufnahme einverstanden erklären – vgl. nachstehend Rdn 100 ff. –, so ist von dieser Lösung abzuraten. Die zweite Variante macht zumindest zum Zwecke der Registeranmeldung durch den erst später durch die neuen Gesellschafter ernannten Geschäftsführer einen zweiten Notartermin erforderlich. Auch eine häufig notwendige Sitzverlegung, z.B. um bestimmte limitiert ausgeschriebene Aufträge an einem bestimmten Ort zu erhalten, nimmt häufig immer noch mehrere Wochen, wenn nicht Monate in Anspruch. Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG erlangt der Erwerber die sog. relative Gesellschafterstellung erst mit dem Moment der Aufnahme in die beim Handelsregister geführte Gesellschafterliste. Diese Aufnahme ist auch bei unverzüglicher Übermittlung der Liste an das Handelsregister erst Tage später zu erwarten. Hier fingiert § 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG die relative Gesellschafterstellung bereits a...