Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 1160
Nach § 134 Abs. 3 AktG kann das Stimmrecht auch durch einen Bevollmächtigten ausgeübt werden. Werden mehrere Bevollmächtigte bestellt, kann die Gesellschaft einen oder mehrere davon zurückweisen (§ 134 Abs. 3 Satz 2 AktG). Die Erteilung der Vollmacht, ihr Widerruf und der Nachweis der Bevollmächtigung ggü. der Gesellschaft bedürfen der Textform, wenn in der Satzung oder in der Einberufung aufgrund einer Ermächtigung in der Satzung nichts anderes geregelt ist. Börsennotierte Gesellschaften können nur Formerleichterungen anordnen (§ 134 Abs. 3 Satz 3 AktG). Weiter müssen börsennotierte Gesellschaften zumindest einen Weg elektronischer Kommunikation für die Übermittlung des Nachweises anbieten (§ 134 Abs. 3 Satz 4 AktG).
Rz. 1161
Eine Ausnahme von dem Formgebot besteht für die Stimmrechtsausübung durch Kreditinstitute und Aktionärsvereinigungen nach § 135 Abs. 1 Satz 2 AktG. Es genügt, dass die Vollmacht nachprüfbar festgehalten wird. Die Satzung kann davon abweichen (§ 134 Abs. 3 Satz 2 AktG). Nach h.M. ist § 135 Abs. 1 AktG dispositiv. Zulässig ist z.B. eine Satzungsregel, die stets und unterschiedslos (nur) eine schriftliche Vollmacht für die Vertretung in der Hauptversammlung zulässt. Ein Formverstoß führt nicht zur Unwirksamkeit der Vollmacht (§ 134 Abs. 7 AktG).
Rz. 1162
Str. ist, ob eine vollmachtlose Vertretung zulässig ist. Aufgrund des Wortlauts des § 134 Abs. 1 Satz 1 AktG, der von einem "Bevollmächtigen" spricht, ist dies zu verneinen. Dagegen spricht auch § 180 BGB.
Rz. 1163
Von der Form der Bevollmächtigung ist der Nachweis in der Hauptversammlung zu unterscheiden. Nach h.M. kann die Gesellschaft den nicht ordnungsgemäß legitimierten Vertreter in der Hauptversammlung zulassen und sich mit einem nachträglichen Nachweis der ordnungsgemäßen Bevollmächtigung zufriedengeben. Eine Verpflichtung zur Zulassung besteht aber nicht. Nach a.A. muss die Vollmachtsurkunde beim Zutritt zur Hauptversammlung im Original vorgelegt werden; ein Telefax genügt z.B. nicht.
Rz. 1164
Bevollmächtigter kann grds. jeder sein, auch einzelne Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieder. Die Organmitglieder bedürfen aber zumindest einer ausdrücklichen Weisung für die Stimmrechtsausübung oder ihre Bevollmächtigung scheidet von vornherein aus. Die Satzung kann nach h.M. den Kreis der Bevollmächtigten nicht auf Aktionäre beschränken. Bei der Bevollmächtigung eines anderen Aktionärs ist prinzipiell keine Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB erforderlich; dies gilt auch bei Satzungsänderungen. Insoweit unterscheidet sich die Rechtslage zum GmbH-Recht.
Rz. 1165
Besonderheiten bestehen bei dem von der Gesellschaft benannten Stimmrechtsvertreter nach § 134 Abs. 3 Satz 3 AktG. Um die Gefahr einer Interessenkollision zu vermeiden, enthält das Satzungsmuster (Rdn 784) den Vorbehalt ausdrücklicher Weisungen an den Stimmrechtsvertreter. Fehlt eine derartige Weisung, darf der Stimmrechtsvertreter nach h.M. von der Vollmacht analog § 135 Abs. 1 Satz 2 AktG keinen Gebrauch machen, sondern muss sich enthalten, anderenfalls ist seine Stimmabgabe unzulässig. Ergänzend ist in dem Satzungsmuster (Rdn 784) eine Regelung enthalten, wonach die Einzelheiten (z.B. Form und Frist für den Zugang der Weisungen bei der Gesellschaft) für die Erteilung einer Vollmacht an den von der Gesellschaft benannten Stimmrechtsvertreter mit der Einberufung der Hauptversammlung mitgeteilt werden.
Rz. 1166
Fraglich ist, wie das Stimmrecht von dem von der Gesellschaft benannten Stimmrechtsvertreter auszuüben ist, wenn von den in der bekannt gemachten Tagesordnung enthaltenen Anträgen abweichende Anträge in der Hauptversammlung gestellt werden oder sich kurzfristig die Tagesordnung ändert und hierzu keine Weisungen gegeben sind. Verlangt man mit der h.M. Weisungen des Vollmachtgebers an den Stimmrechtsvertreter, haben kurzfristige Änderungen der Tagesordnung sind die vom Stimmrechtsvertreter abgegebenen Stimmen mangels Weisung nicht zu berücksichtigen. Zwei Lösungswege werden vorgeschlagen: Denkbar ist die Einführung von weisungslosen Dauervollmachten an unabhängige Stimmrechtsvertreter, die die Gesellschaft benennt. Ebenso könnten den Stimmrechtsvertretern in engen Grenzen eine "abweichende" Abstimmung analog § 135 Abs. 5 AktG erlaubt werden.
Rz. 1167
Von der Stellvertretung ist die sog. Legitimationsübertragung zu unterscheiden. Sie ist in § 129 Abs. 3 AktG genannt. Gemeint ist damit die Ausübung fremder Stimmrechte im eigenen Namen (vgl. § 185 BGB). So ermächtigte Personen sind in das Teilnehmerverzeichnis wie Aktionäre einzutragen, während deren Eintragung unterbleibt. Im Teilnehmerverzeichnis sind die Legitimationsaktionäre mit dem Vermerk "Fremdbesitz" anzugeben. § 129 Abs. 3 Satz 1 AktG verlangt zusätzliche Angaben. Die Satzung kann die Legitimationsübertragung ausschließen (§ 23 Abs. 5 Satz 2 AktG).
Im Fall von Fremdbesitz kommt es auf Form und Umfang von Vollmachten und...