Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 872
§ 87 AktG a.F. beschränkte sich darauf, dass die Vorstandsbezüge in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben des Vorstands und zur Lage der Gesellschaft stehen müssen. Wann von einer Angemessenheit der Vorstandsvergütung ausgegangen werden kann, ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Mannesmann-Entscheidung im Einzelfall umstritten; insoweit fehlen schon feststehende Parameter. In der Praxis wohl wichtigste Kriterien sind die Üblichkeit der Vergütung entsprechend der Größe und der Branche des Unternehmens sowie der Marktwert des einzelnen Vorstandsmitglieds, v.a. aber die Leistungen des Vorstands. Auch freiwillige Sonderleistungen können noch angemessen sein, wenn sich daraus Anreize für Dritte ergeben können. Ist die Vergütung unangemessen hoch, führt dies nicht zur Nichtigkeit des Anstellungsvertrages; es können sich daraus jedoch Schadensersatzansprüche gegen den Aufsichtsrat nach §§ 116, 93 AktG herleiten. Zu viel gezahlte Beträge hat der Aufsichtsrat nach § 812 BGB zurückzufordern. Nach der Mannesmann-Entscheidung kann in Extremfällen auch eine Strafbarkeit nach § 266 StGB wegen Untreue drohen, wenngleich der BGH in dieser Entscheidung ausdrücklich betont hat, dass es sich bei der Festsetzung der Vorstandsbezüge um eine unternehmerische Entscheidung handelt, bei der die Frage einer Pflichtverletzung an den Maßstäben der Business Judgement Rule des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG zu messen ist. Wegen der strafrechtlichen Beurteilung von Vorstandsvergütungen unterscheidet der BGH zwischen im Dienstvertrag anfänglich vereinbarten, variablen Vergütungsbestandteilen und nachträglichen Vergütungen. Die erste Fallgruppe wird dabei nur an § 87 AktG gemessen, während bei der zweiten Fallgruppe zwischen straffreien und strafbaren Fällen unterschieden wird. Ob mittels entsprechender "Vorrats-Klauseln" ("Mannesmann-Klauseln") in den Vorstandsverträgen bei evtl. künftigen, nachträglichen Zuwendungen von der strafrechtlich relevanten zweiten in die straffreie erste Fallgruppe gewechselt werden kann, erscheint zweifelhaft.
Rz. 873
Im Zuge der Finanzmarktkrise wurde § 87 AktG mit dem VorstAG reformiert und dem Aufsichtsrat wesentliche Vorgaben gegeben, anhand welcher Parameter die Angemessenheit der Vorstandsvergütung festzulegen ist. Ziel ist es, die Anreize in der Vergütungsstruktur für Vorstandsmitglieder in Richtung einer nachhaltigen und auf Langfristigkeit ausgerichteten Unternehmensführung zu stärken. Zugleich sollen die Verantwortlichkeit des Aufsichtsrates für die Ausgestaltung der Vorstandsvergütung gestärkt und konkretisiert werden sowie die Transparenz der Vorstandsvergütung ggü. den Aktionären und der Öffentlichkeit verbessert werden. Danach hat der Aufsichtsrat dafür zu sorgen, dass die Vergütung im Verhältnis zu den Aufgaben und Leistungen des Vorstands und zur Lage der Gesellschaft in einem angemessenen Verhältnis steht und die "übliche Vergütung" nicht ohne besondere Gründe übersteigt. Bei börsennotierten Unternehmen ist die Vergütungsstruktur auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung auszurichten. Variable Vergütungsbestandteile sollen eine mehrjährige Bemessungsgrundlage haben (§ 87 Abs. 1 Satz 3 AktG). Die Herabsetzung von Vorstandsvergütungen durch den Aufsichtsrat nach § 87 Abs. 2 AktG wird erleichtert. Verstößt der Aufsichtsrat gegen diese Pflichten, droht eine persönliche Haftung (§§ 116, 93 AktG). Die Regelung der Vorstandsvergütung kann nicht auf einen Ausschuss des Aufsichtsrates delegiert werden (§ 107 Abs. 3 Satz 3 AktG).
Rz. 874
Das Recht zur Herabsetzung der Bezüge gem. § 87 Abs. 2 AktG ist ein einseitiges Gestaltungsrecht der Aktiengesellschaft, das durch eine Gestaltungserklärung ausgeübt wird, die der Aufsichtsrat in Vertretung der Gesellschaft gegenüber dem Vorstandsmitglied abgibt. Ob das Recht aus § 87 Abs. 2 AktG für die Zeit nach Insolvenzeröffnung nur vom Insolvenzverwalter ausgeübt werden kann, ist offen.
Voraussetzung für eine solche Herabsetzung ist eine Verschlechterung der Lage der Gesellschaft (§ 87 Abs. 2 AktG). Es genügt jede negative Entwicklung der Gesellschaft und ist jedenfalls im Falle der Insolvenz oder der existenzbedrohenden Krise zu bejahen. Gleiches gilt im Falle des Dividendenausfalls, bei Massenentlassungen oder Lohnkürzungen.
Unbillig ist die Weiterzahlung der Bezüge, wenn der Vorstand pflichtwidrig gehandelt hat oder ihm zwar kein pflichtwidriges Verhalten vorzuwerfen ist, die Verschlechterung der Lage der Gesellschaft jedoch in die Zeit seiner Vorstandsverantwortung fällt und ihm zurechenbar ist.
Die Herabsetzung der Bezüge muss mindestens auf einen Betrag erfolgen, dessen Gewährung angesichts der Verschlechterung der Lage der Gesellschaft nicht mehr als unbillig angesehen werden kann. Die Vorschrift erlaubt andererseits keine Herabsetzung der Bezüge des Vorstandsmitglieds, die weiter geht, als es die Billigkeit angesichts der Verschlechterung der Lage der Gesel...