Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 1739
Nach § 203 Abs. 1 und Abs. 2 AktG kann auch beim genehmigten Kapital das Bezugsrecht der Aktionäre ganz oder teilweise ausgeschlossen werden. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten:
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Die Hauptversammlung kann selbst in dem Beschluss über die Schaffung des genehmigten Kapitals das Bezugsrecht ausschließen (§§ 203 Abs. 1, 186 AktG). |
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Die Hauptversammlung kann den Vorstand ermächtigen, bei Ausnutzung des genehmigten Kapitals über den Bezugsrechtsausschluss zu entscheiden (§ 203 Abs. 2 Satz 1 AktG). |
Die Hauptversammlung kann dabei die Grenzen der von ihr erteilten Ermächtigung selbst bestimmen. Sie kann die Entscheidung über den Ausschluss des Bezugsrechts dabei auch uneingeschränkt in das pflichtgemäße Ermessen des Vorstands stellen.
Rz. 1740
Wird der Bezugsrechtsausschluss beim genehmigten Kapital bereits in der Gründungssatzung vereinbart wird, finden die Vorschriften über den Bezugsrechtsausschluss keine Anwendung.
Wird das genehmigte Kapital mittels Satzungsänderung geschaffen, gelten für den Bezugsrechtsausschluss gelten die allgemeinen Voraussetzungen. Die Förmlichkeiten des § 186 Abs. 4 AktG sind zu beachten. Der Bezugsrechtsausschluss durch die Hauptversammlung selbst als auch die Ermächtigung des Vorstands zum Ausschluss des Bezugsrechts bedarf einer sachlichen Rechtfertigung.
Rz. 1741
Notwendig ist die Bekanntmachung des beabsichtigten Bezugsrechtsausschlusses in der Tagesordnung sowie ein schriftlicher Bericht des Vorstands an die Hauptversammlung (§ 186 Abs. 4 Satz 1 und 2 AktG). Eine Bekanntmachung zusammen mit der Einberufung analog § 124 Abs. 2 Satz 3 AktG ist nicht erforderlich. Wird der Vorstandsbericht gleichwohl mit der Einberufung bekanntgemacht, ist er nach § 130 Abs. 3 AktG der Hauptversammlungsniederschrift beizufügen. Aber auch dann, wenn der Bericht (nur) gem. § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG der Hauptversammlung zugänglich gemacht wird, muss er der Hauptversammlungsniederschrift beigefügt werden.
Rz. 1742
Die Benennung der Zwecke der Ermächtigung zur Ausnutzung eines genehmigten Kapitals unter Ausschluss des Bezugsrechts muss nicht im Ermächtigungsbeschluss, sondern kann auch in dem nach §§ 203 Abs. 2 Satz 2, 186 Abs. 4 Satz 2 AktG der Hauptversammlung zugänglich zu machenden Vorstandsbericht durch eine nicht abschließende, beispielhafte Aufzählung von Ausschlussfällen erfolgen.
Rz. 1743
Beschließt die Hauptversammlung einer AG eine Satzungsänderung, durch die der Vorstand bei der Nutzung eines genehmigten Kapitals ermächtigt wird, über den Ausschluss des Bezugsrechts zu entscheiden, ist der entsprechend § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG zu erstellende Vorstandsbericht bei der Auslegung des Hauptversammlungsbeschlusses heranzuziehen.
Rz. 1744
Seit der "Siemens/Nold"-Entscheidung im Jahr 1997 hat der BGH die Forderung aufgegeben, wonach schon bei Fassung des Ermächtigungsbeschlusses bzw. bei Beschlussfassung über den direkten Bezugsrechtsausschluss durch die Hauptversammlung die sachliche Rechtfertigung für den Bezugsrechtsausschluss nachgewiesen werden musste. Ausreichend ist, dass die Maßnahme, zu deren Durchführung der Vorstand ermächtigt werden soll, im wohlverstandenen Interesse der Gesellschaft liegt und der Hauptversammlung allgemein und in abstrakter Form bekannt gegeben wird. Konkrete Anhaltspunkte für eine Notwendigkeit des Bezugsrechtsausschlusses müssen nicht mehr vorliegen. Der schriftliche Bericht des Vorstandes kann sich auf allgemein gehaltene Angaben beschränken. Der Vorstand darf sich nach Ansicht der Lit. allerdings auf eine solche abstrakt-generelle Beschreibung möglicher Bezugsrechtsausschlussgründe nicht beschränken, wenn er bereits im Zeitpunkt der Hauptversammlungsentscheidung bzw. -ermächtigung über einen Bezugsrechtsausschluss konkrete Pläne über die Ausnutzung des genehmigten Kapitals hat. Einschränkungen sind hier nur noch im Diskretionsinteresse der Gesellschaft zulässig. Darauf muss der Vorstand in seinem Bericht hinweisen. Nach Ansicht des LG München I ist es dagegen zulässig, in dem Vorstandsbericht nur abstrakte Umschreibungen zum genehmigten Kapital mit Bezugsrechtsausschluss zu machen, ohne dass ein möglicher Verwendungszweck bereits feststeht ("alles oder nichts"). Nur dann, wenn der Bericht Hinweise auf einen jetzt bekannten möglichen Zweck enthält, muss dieser Zweck auch deutlich, allgemein verständlich und erschöpfend beschrieben werden.
Sowohl beim direkten Bezugsrechtsausschluss als auch bei der Ermächtigung zum Bezugsrechtsausschluss hat der Vorstand in eigener Verantwortung zu prüfen, ob aus unternehmerischer Sicht der Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre im Interesse der Gesellschaft liegt, sachlich gerechtfertigt ist und die zugrunde liegenden konkreten Tatsachen der abstrakten Umschreibung des Vorhabens entsprechen. Nur wenn dies der Fall ist, darf der Vorstand das Vorhaben durchführen bzw. von der Ermächtigung zum Bezugsrechtsausschluss Gebrauch machen; anderenfalls...