Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
1. Primäre Gründungsvarianten
Rz. 2046
Die Verordnung über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) stellt verschiedene Möglichkeiten zur Gründung einer Europäischen Gesellschaft (SE) zur Verfügung. Art. 2 SE-VO enthält die primären Gründungsvarianten. Die Aufzählung in Art. 2 SE-VO ist abschließend. Andere Möglichkeiten zur Gründung einer Europäischen Gesellschaft (SE) bspw. nach den Regelungen des nationalen Umwandlungsrechts bestehen nicht. I.Ü. kann eine Europäische Gesellschaft (SE) aber wie eine nationale AG an Umwandlungsvorgängen teilnehmen. Eine Europäische Gesellschaft (SE) kann gegründet werden:
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durch Verschmelzung (Art. 2 Abs. 1 SE-VO),
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entweder durch Aufnahme (Art. 17 Abs. 2a) SE-VO) |
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oder Verschmelzung zur Neugründung (Art. 17 Abs. 2b) SE-VO) |
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durch Gründung einer Holding-SE (Art. 2 Abs. 2 SE-VO), |
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durch Gründung einer Tochter-SE (Art. 2 Abs. 3 SE-VO; Joint-Venture Gründung), |
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durch Umwandlung (Art. 2 Abs. 4 SE-VO). |
2. Sekundäre Gründungsvarianten
Rz. 2047
Neben den originären Gründungsmöglichkeiten besteht die Möglichkeit, dass die Europäische Gesellschaft (SE) gem. Art. 3 Abs. 2 SE-VO selbst eine oder mehrere Tochtergesellschaften gründet, die ebenfalls die Rechtsform der Europäischen Gesellschaft (SE) haben. Diese Gründungsform wird allgemein als abgeleitete, derivative oder auch als sekundäre Gründungsvariante bezeichnet. Auf Basis dieser Gründungsvarianten in der EU/im EWR bieten verschiedene Anbieter sog. Vorrats-SEs in der Regel zu einem Kaufpreis zwischen 125.000,00 EUR und 130.000,00 EUR zum Kauf an.
3. Gründungsvoraussetzungen
a) Gründereigenschaft
Rz. 2048
Natürliche Personen sind gänzlich von der Beteiligung an der Gründung einer Europäischen Gesellschaft (SE) ausgeschlossen. Nach der Gründung der Europäischen Gesellschaft (SE) können sie sich allerdings an dieser beteiligen.
Den Kreis der an der Gründung einer Europäischen Gesellschaft (SE) beteiligungsfähigen Gründer legt die SE-VO abschließend fest. So können sich an der Gründung einer Europäischen Gesellschaft (SE) durch Verschmelzung lediglich AG beteiligen, während sich bspw. an der Gründung einer Holding-SE auch GmbHs beteiligen können.
Hinweis
Eine Europäische Gesellschaft (SE) ist gem. Art. 10 SE-VO wie eine AG, die nach nationalem Recht gegründet worden ist, zu behandeln. Daher kann auch eine Europäische Gesellschaft (SE) an der Gründung einer SE wie eine nationale AG teilnehmen.
b) Mehrstaatlicher Bezug
Rz. 2049
Als Voraussetzung für die Gründung einer Europäischen Gesellschaft (SE) verlangt die Verordnung bei allen Gründungsvarianten einen mehrstaatlichen Bezug der Gründungsgesellschaften. So müssen bei der Gründung einer Europäischen Gesellschaft (SE) durch Verschmelzung mindestens zwei der an der Gründung beteiligten AG dem Recht verschiedener Mitgliedstaaten unterliegen. Bei der Gründung einer Tochter-SE ist es dagegen ausreichend, wenn mindestens zwei der an der Gründung beteiligten Gesellschaften entweder eine Zweigniederlassung in einem anderen Mitgliedstaat oder eine Tochtergesellschaft, die dem Recht eines anderen Mitgliedstaates unterliegt, haben. Die SE-VO macht keine weiteren Angaben zur Tochtergesellschaft. Für die Ermittlung der zulässigen Rechtsformen ist auf Art. 54 AEUV zurückzugreifen.
Für die Anerkennung des Merkmals der Zweigniederlassung ist allerdings das Bestehen einer Hauptniederlassung notwendig. Hierfür genügt jedoch ein "Briefkasten".
c) Zwei-Jahresfrist
Rz. 2050
Die SE-VO sieht vor, dass Tochtergesellschaften oder Zweigniederlassungen mindestens seit 2 Jahren bestehen müssen. Diese Voraussetzung soll Umgehungen der Gründungsanforderungen verhindern. Die Frist beginnt mit dem Errichtungszeitpunkt der Zweigniederlassung. Dafür ist lediglich notwendig, dass ein neuer Geschäftsbetrieb eingerichtet oder ein solcher erworben wird. Teilweise wird allerdings vertreten, dass auf den Zeitpunkt der Handelsregisteranmeldung abzustellen sei.
Hinweis
Der Zukauf eines bereits seit 2 Jahren bestehenden Betriebes ist nicht ausreichend. Im Einzelfall kann es schwierig sein, das 2-jährige Bestehen einer Zweigniederlassung nachzuweisen. Den geeigneten Nachweis zu er...