Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
1. Einführung
Rz. 2204
Gleichzeitig mit der Verordnung über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) ist die Richtlinie zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft (SE) hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer in Kraft getreten. Die Richtlinie ist in dem Gesetz über die Beteiligung der Arbeitnehmer in einer Europäischen Gesellschaft (SE-Beteiligungsgesetz – SEBG) umgesetzt.
Nach den Vorschriften soll die Beteiligung der Arbeitnehmer in der Europäischen Gesellschaft (SE) grds. zwischen den Arbeitnehmern (vertreten durch das besondere Verhandlungsgremium der Arbeitnehmer [bVg]) und den Leitungsorganen der Gründungsgesellschaften verhandelt werden. Soweit es nicht zu einer Einigung kommt, greift nach fruchtlosem Ablauf der Verhandlungen eine Auffanglösung. Das Eingreifen der Auffanglösung kann auch durch das bVg beschlossen werden. Die hier in der SE-VO und im SEBG vorgesehenen Regelungen werden heftigst kritisiert und haben teilweise zur Folge, dass das Verfahren über ein Jahr blockiert wird.
Rz. 2205
Wird eine SE gem. § 2 Abs. 4 SE-VO durch Umwandlung gegründet, nach § 35 Abs. 1 SEBG die Regelung zur Mitbestimmung erhalten, die in der Gesellschaft vor der Umwandlung bestanden hat. Umstritten war, ob § 35 Abs. 1 SEBG den rechtlichen "Soll-Zustand" meint, oder den tatsächlich praktizierten "Ist-Zustand". Nachdem das OLG Frankfurt am Main 2018 im Sinne der ersten Interpretation entschieden hatten, trat der BGH dem entgegen. Wenn vor der Eintragung einer durch formwechselnde Umwandlung gegründeten, dualistisch aufgebauten SE ein Statusverfahren eingeleitet worden sei, richte sich die in diesem Verfahren festzulegende Zusammensetzung des Aufsichtsorgans der SE bei Anwendbarkeit der Auffangregelungen über die Mitbestimmung der §§ 34 ff. SEBG danach, wie der Aufsichtsrat vor der Umwandlung nach den gesetzlichen Vorschriften richtigerweise zusammenzusetzen gewesen wäre. Das OLG München sowie das BayObLG vertreten ebenfalls die Auffassung, dass die tatsächlichen Verhältnisse § 35 Abs. 1 SEBG zugrunde zu legen sind. Das LAG Hamburg hat im Falle einer Sitzverlegung nach London entschieden, dass das SEBG nur bei Vorliegen einer strukturellen Änderung anwendbar ist.
Das BAG legte dem EuGH in diesem Kontext im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV vier Fragen hinsichtlich der analogen Anwendbarkeit des SEBG vor, wenn Anhaltspunkte für eine rechtsmissbräuchliche Umgehung von Mitbestimmungsrechten bestehen.
In einem anderen Verfahren entschied das BAG mit Schluss-Beschl. v. 23.3.2023, dass bei der Umwandlung einer nach § 7 Abs. 1 Satz 1 MitbestG mitbestimmten deutschen AG in eine SE mit dualistischem System in der Beteiligungsvereinbarung ein gesondertes Wahlverfahren vorgesehen sein muss.
Rz. 2206
Für die Berechnung von Schwellenwerten hat der EuGH entschieden, dass es mit Art. 45 AEUV unvereinbar ist, Arbeitnehmer nicht zu berücksichtigen, die in ausländischen Betrieben des Unternehmens beschäftigt sind.
Dies gilt nicht für Leiharbeiter. Der BGH hat in Übereinstimmung mit der vorherigen Rspr. bestätigt, dass Leiharbeiter bei der Ermittlung von Schwellenwerten im Rahmen der Berechnung grds. miteinzubeziehen sind.
2. Ablauf
a) Aufforderung zur Bildung des bVg
Rz. 2207
Die Leitungen der beteiligten Gesellschaften müssen gem. § 4 Abs. 1 SEBG schriftlich zur Bildung des bVg auffordern. Dies muss unverzüglich nach der Offenlegung des Verschmelzungsplans erfolgen, wobei eine frühere Unterrichtung durchaus zulässig und auch zu empfehlen ist. Ist das Beteiligungsverfahren bei Offenlegung des Verschmelzungsplans bereits abgeschlossen, wird mit dem Beschluss über den Verschmelzungsplan zugleich die getroffene Vereinbaru...