Rz. 37
Weitgehend noch ungeklärt, da durch den BGH (noch) nicht abschließend entschieden und in Literatur und Rechtsprechung kontrovers diskutiert, ist die Frage, ob Sachverständige zu einer Bauteilöffnung berechtigt sind, bzw. durch das Gericht im Rahmen des § 404a ZPO verpflichtet werden können, Bauteilöffnungen vorzunehmen. Je nach vertretener Auffassung stellt sich darüber hinaus das Folgeproblem der Haftungsrisiken des Sachverständigen im Rahmen einer Bauteilöffnung sowie die Frage, ob der Sachverständige die von ihm produzierten Öffnungen wieder verschließen muss.
Rz. 38
Gem. § 404a Abs. 1, 4 ZPO hat das Gericht die Pflicht, die Tätigkeit des Sachverständigen zu leiten und ihm für Art und Umfang seiner Tätigkeit Weisungen zu erteilen. Daraus ergibt sich, dass der Sachverständige als Gehilfe des Gerichts agiert und ihm somit grundsätzlich auch rechtlich relevante Vorgaben vom Gericht gemacht werden können. Ob dieses generelle Weisungsrecht des Gerichts auch die Befugnis umfasst, den Gutachter zu einer Bauteilöffnung zu verpflichten, wird unterschiedlich beurteilt.
Zum einen wird die Auffassung vertreten, der Sachverständige könne Bauteilöffnungen auch ohne gerichtliche Anordnung selbst oder mit von ihm beauftragten Dritten vornehmen. Anlässlich seiner Untersuchung angerichtete Schäden müsse der Sachverständige, nach Weisung des Gerichts – notfalls unter Heranziehung geeigneter Hilfspersonen –, die er auszuwählen oder zu beauftragen habe, beseitigen.
Rz. 39
Andere Oberlandesgerichte lassen eine Bauteilöffnung durch den Sachverständigen hingegen erst nach richterlicher Zustimmung und Anweisung zu, wobei sich die Verpflichtung des Sachverständigen nach Anweisung des Gerichts zum einen aus der Systematik der §§ 404, 404a, 407, 407a und 408 ZPO ergebe, zum anderen jede andere Beurteilung effizienten und praktikablen Ergebnissen sowie dem pragmatischen Verständnis der Rolle des Sachverständigen widerspräche.
Rz. 40
Dagegen vertreten andere Gerichte und Stimmen in der Literatur die zutreffende Auffassung, der Sachverständige könne nicht aufgrund einer Weisung gem. § 404a ZPO verpflichtet werden, für notwendig erachtete Bauteilöffnungen in eigener Verantwortung vorzunehmen oder durch Dritte vornehmen zu lassen. Dies folge zum einen aus dem Fehlen einer derartigen gerichtlichen Befugnis, da es sich bei einer Bauteilöffnung lediglich um notwendige Vorbereitungsmaßnahmen handele, die dem Gutachter nicht gegen seinen Willen aufgegeben werden können. Auch ergebe sich aus § 404a ZPO nichts anderes. Danach sei das Gericht berechtigt, die Tätigkeit des Sachverständigen zu leiten. Die Leitung beziehe sich aber nur auf die Gutachtenerstellung selbst und auf die zu begutachtenden Tatsachen, nicht jedoch auf die handwerklichen Vorbereitungsmaßnahmen. Die Verpflichtung des Sachverständigen, Bauteilöffnungen vorzunehmen, verstoße zudem gegen den das Zivilprozessrecht beherrschenden Grundsatz der Beibringung des Prozessstoffes durch die Parteien. Die Aufgabe des Sachverständigen bestehe ausschließlich darin, dass vorgefundene Werk zu begutachten.
Rz. 41
Dem ist zuzustimmen. Sollte eine Partei somit darauf bedacht sein, dass diese Begutachtung sich auch auf Bauteilöffnungen erstreckt, so bleibt es ihr schließlich unbenommen, diese Bauteilöffnung in Abstimmung mit dem Sachverständigen vorzunehmen und diesem bei dem Ortstermin die geöffnete Bausubstanz zur Begutachtung zu präsentieren. So ist die jeweilige Prozesspartei für die Öffnung des Bauteils nach Weisung des Sachverständigen verantwortlich und anschließend mit deren Wiederherstellung zu belasten, die für das konkrete Beweisthema die Beweislast trägt. Es bleibt damit bei dem allgemeinen Grundsatz, dass die beweisbelastete Partei die Risiken einer Beweisaufnahme zu dulden hat.
Allerdings kommt die Anwendung der Beweislastregeln erst dann zum Tragen, wenn das Gericht sämtliche verfügbaren Beweismittel ausgeschöpft hat, insbesondere eine Begutachtung ohne die Bauteilöffnung veranlasst hat. Sofern also ein Auftraggeber eine Bauteilöffnung bei einer vom Gericht angeordneten Begutachtung verweigert, führt dies somit noch nicht dazu, dass er beweisfällig geblieben ist.
In seiner aktuellen Entscheidung lässt der BGH die Frage, ob das grundsätzliche Weisungsrecht des Gerichts auch die Befugnis umfasst, den Gutachter zu einer Bauteilöffnung zu verpflichten, offen. Demnach hänge es von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab, ob das Gericht dem Gutachter eine Weisung erteilt und wenn ja, welche genaue Handlung es diesem aufgibt. Es stehe somit im Ermessen des Gerichts, zu entscheiden, ob der Sachverständige angewiesen wird, Bauteilöffnungen selbst durchzuführen oder ob der Beweisführer dazu verpflichtet wird.
Rz. 42
Auswirkungen hat dieser Meinungsstreit auch auf das Haftungsrisiko des Sachverständigen bei Vornahme einer Bauteilöffnung, bzw. bei Abschluss der dazu notwendigen Werkverträge mit Dritten.
Rz. 43
Der Auffassung des OLG Celle, wonach der Sach...