Norbert Schneider, Lotte Thiel
Rz. 216
War das Scheidungsverfahren nach altem Recht, also noch nach der ZPO i.d.F. vor dem 1.9.2009 eingeleitet und war die Folgesache Versorgungsausgleich
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bereits am 1.9.2009 aus dem Verbund abgetrennt oder ist sie |
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nach dem 31.8.2009, aber noch vor dem 1.9.2010 vom Verbund abgetrennt |
worden, gilt Art. 111 Abs. 4 FGG-ReformG. Diese Regelung hat zur Folge, dass das abgetrennte Verfahren Versorgungsausgleich und gegebenenfalls weitere mit ihm noch im Verbund stehenden Folgesachen als jeweils selbstständige Familiensachen fortgeführt werden (Art. 111 Abs. 4 S. 2 FGG-ReformG) und gem. Art. 111 Abs. 4 S. 1 FGG-ReformG zwingend nach neuem Recht (FGG-ReformG) und damit auch nach neuem Kostenrecht zu behandeln ist.
Rz. 217
Allerdings gelten für den bereits im Scheidungsverfahren tätigen Anwalt die Gebührenbeträge des RVG i.d.F. bis zum 31.7.2013, da die neue Angelegenheit im Fall des Art. 111 Abs. 4 FGG-ReformG immer in der Zeit zwischen dem 1.9.2009 und dem 31.8.2010 begonnen haben muss, so dass das 2. KostRMoG noch nicht zu berücksichtigen ist.
Rz. 218
Die Vorschrift des Art. 111 Abs. 4 FGG-ReformG gilt nicht für Verfahren, die nach dem 31.8.2009 eingeleitet wurden, für die also ohnehin bereits nach Art. 111 Abs. 1 FamFG neues Recht gilt. Hier bleibt die Folgesache Versorgungsausgleich trotz Abtrennung weiterhin Folgesache, so dass hier nur einheitlich abgerechnet werden kann (§ 137 Abs. 5 S. 1 FamFG).
Rz. 219
Im abgetrennten Versorgungsausgleichsverfahren berechnet sich der Verfahrenswert insoweit nicht mehr nach § 49 GKG a.F., sondern nach § 50 FamGKG.
Rz. 220
Hinsichtlich des Nettoeinkommens ist nach § 34 S. 1 FamGKG auf den Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens abzustellen. Einleitung ist nicht die Abtrennung, sondern die Einleitung durch den seinerzeitigen Scheidungsantrag. Es ist also nicht auf die aktuellen Einkommensverhältnisse abzustellen, sondern auf die Einkommensverhältnisse bei Einreichung des Scheidungsantrags. Diese müssen gegebenenfalls ermittelt werden. Dies dürfte allerdings keine großen Schwierigkeiten bereiten, da hinsichtlich der Ehesache das Einkommen für die Verfahrenswertfestsetzung bereits ermittelt und herangezogen worden sein muss.
Rz. 221
Zu beachten ist, dass nach der Rspr. keine Terminsgebühr anfällt, wenn das Gericht über den abgetrennten Versorgungsausgleich ohne mündliche Verhandlung entscheidet (siehe auch § 7 Rdn 366).
Rz. 222
Hat der Anwalt seine Gebühren aus der Folgesache Versorgungsausgleich noch nicht berechnet, dann kann er anrechnungsfrei die Gebühren für das abgetrennte Verfahren berechnen. Hat er jedoch aus der Folgesache Versorgungsausgleich im Verbund bereits abgerechnet, dann muss er jetzt im Wege einer Vergleichsberechnung ermitteln, welche Mehrkosten er bereits vereinnahmt hat. Dies folgt letztlich aus § 21 Abs. 3 RVG, wonach im Falle der Abtrennung das Verfahren vor und nach Abtrennung als eine Gebührenangelegenheit gilt und der Anwalt seine Gebühren nur einmal erhält.
Rz. 223
Der Anwalt kann insoweit auch nicht die Vorschrift des § 15 Abs. 5 S. 2 RVG ins Feld führen. Danach wird nach Ablauf von zwei Kalenderjahren eine Angelegenheit fingiert mit der Folge, dass der Anwalt seine Gebühren ohnehin erneut erhält und sich auch keine vorangegangenen Zahlungen anrechnen lassen muss. Ein Fall des § 15 Abs. 5 S. 2 RVG liegt jedoch nicht vor. Allein durch die Abtrennung eines Versorgungsausgleichsverfahrens endet insoweit nicht die Angelegenheit. Auch wenn das Versorgungsausgleichsverfahren ausgesetzt und zum Ruhen gebracht worden ist, führt dies nicht zur Anwendung des § 15 Abs. 5 S. 2 RVG, weil damit der Auftrag nicht erledigt ist. Ungeachtet einer Aussetzung oder der Anordnung des Ruhens des Verfahrens muss der Anwalt weiterhin in der Sache tätig bleiben. Insbesondere muss er regelmäßig überprüfen, ob die Gründe für die Aussetzung bzw. das Ruhen des Verfahrens noch vorliegen oder ob er die Fortsetzung des Verfahrens beantragen muss.
Rz. 224
Um den Mehrbetrag aus dem Scheidungsverfahren zu ermitteln, muss der Anwalt eine Vergleichsbetrachtung anstellen. Er muss zum einen die tatsächlich abgerechneten Kosten ermitteln und dem gegenüberstellen, welche Vergütung er erhalten hätte, wenn er das Scheidungsverbundverfahren ohne die Folgesache Versorgungsausgleich abgerechnet hätte.
Rz. 225
Diese Berechnung wiederum hängt davon ab, wann das Scheidungsverfahren eingeleitet worden ist.
Beispiel 122: Abtrennung des Versorgungsausgleichs in Altfällen, Scheidungsverfahren richtet sich nach RVG (19 % Umsatzsteuer); Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung
Das Scheidungsverfahren war in 2008 eingeleitet worden. Das dreifache Nettoeinkommen der Beteiligten belief sich auf 9.000,00 EUR. Auszugleichen sind auf Seiten jedes Ehegatten ein gesetzliches Anrecht und auf Seiten des Ehemannes eine betriebliches Anrecht. Über die Scheidung ist im Mai 2009 nach § 628 Abs. 2 Nr. 4, 5 ZPO a.F. vorab entschieden worden; gleichzeitig ist der Versorgungsausgleich (Wert: 2.000,00 EUR) "abget...