Dr. iur. Wolfram Viefhues
Rz. 56
Leben die Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft, so wird diese durch die Zustellung des Scheidungsantrags beendet. Von diesem Tag an erfolgt keine Beteiligung des Ehegatten mehr am gegenseitigen Vermögenszuwachs.
I. Gesetzlicher Güterstand oder Regelung durch Ehevertrag?
Rz. 57
Haben die Beteiligten keine abweichende Regelung durch notariellen Ehevertrag getroffen (§§ 1408, 1410 BGB), dann gilt der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft. In diesem Fall kann bei Scheidung der Ehe der Zugewinnausgleich durchgeführt werden.
Rz. 58
Praxistipp:
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Fragen Sie bei der anwaltlichen Beratung immer nach, ob ein Ehevertrag geschlossen worden ist! |
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Eheverträge werden gelegentlich auch im Zusammenhang mit anderen Verträgen geschlossen. So kommt es vor, dass Eheleute gemeinsam ein Eigenheim kaufen und in diesem Vertrag auch – ganz nebenbei – Gütertrennung vereinbart wird. |
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Fragen Sie also ihren Mandanten ganz pauschal, ob er jemals mit seinem Ehepartner zusammen beim Notar gewesen ist! |
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Lassen Sie sich ggf. den Vertrag vorlegen! Es ist wahrscheinlich, dass ein Ehegatte keine Detailkenntnis mehr über den bereits vor vielen Jahren geschlossenen Vertrag hat. |
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Bevor Sie viel Arbeit in den Zugewinnausgleich stecken, sollte klar sein, dass nicht etwa Gütertrennung vereinbart worden ist! |
II. Stichtag für den Zugewinnausgleich
Rz. 59
Das genaue Datum der Zustellung ist der entscheidende Stichtag für den Zugewinnausgleich.
Rz. 60
Praxistipp:
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Lassen Sie sich vom Gericht das genaue Datum der Zustellung mitteilen. Normalerweise teilen die Familiengerichte lediglich das Ende der Ehezeit für den Versorgungsausgleich automatisch mit, nicht aber das tatsächliche Zustellungsdatum. |
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Arbeiten Sie nicht mit einem "ungenauen" Datum. Werden erst Vermögensauskünfte von Banken und Versicherungen eingeholt zu einem Datum, das sich später als nicht korrekt herausstellt, ist die ganze Arbeit vergebens. Im Streitfall müssen alle Auskünfte zum richtigen Datum erneut eingeholt werden. |
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In der Praxis kommt es gelegentlich vor, dass die Parteien einvernehmlich bei ihren Berechnungen ein anderes Datum zugrunde legen. Ist die Zustellung kurz vor oder nach der Jahreswende erfolgt, ist die Versuchung groß, die von den Banken ohnehin zum 31.12. erstellten Abrechnungen zugrunde zu legen. |
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Beachten Sie aber, dass Vereinbarungen über einen anderen Zeitpunkt formbedürftig sind, also der notariellen Beurkundung oder der Form eines Prozessvergleichs (§ 1378 Abs. 3 Satz 2 BGB) bedürfen. Ohne diese Form ist eine entsprechende Vereinbarung nicht verbindlich! |
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Hat nur der Gegner einen Scheidungsantrag eingereicht, so prüfen Sie, ob verhindert werden soll, dass die Gegenseite durch einseitige Rücknahme des Scheidungsantrags (dazu § 11 Rdn 20) den Stichtag für den Zugewinn zunichte machen kann. Dann muss ein eigener Scheidungsantrag gestellt werden. |
III. Auskunftsanspruch
Rz. 61
Ab Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags besteht ein Auskunftsanspruch hinsichtlich des Anfangsvermögens und des Endvermögens (§ 1379 BGB).
Rz. 62
Gegenstand der Auskunftspflicht ist der Bestand des jeweiligen Endvermögens, bezogen auf diesen Stichtag der Zustellung des Scheidungsantrags sowie das Anfangsvermögen zum Zeitpunkt der Eheschließung. Zum Vermögen gehören auch Verbindlichkeiten (vgl. § 1374 BGB).
Rz. 63
Praxistipp:
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Beim Auskunftsantrag ist ein bestimmter Antrag zu stellen, in dem die begehrte Auskunft genau bezeichnet wird. Andernfalls ist der Antrag bereits unzulässig! |
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Die Auskunft muss nicht zwingend persönlich erteilt werden, vielmehr kann sich der Auskunftspflichtige dazu auch eines Erfüllungsgehilfen bedienen. |
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Zweifel an der Richtigkeit der Auskunft ändern nichts daran, dass die Auskunft erteilt worden ist. |
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Auch die Fehlanzeige ("kein Vermögen vorhanden") ist eine Auskunft. |
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Bei der Verpflichtung zur Vorlage von Belegen handelt es sich um einen gesonderten Anspruch, der auch eigens beantragt werden muss. Die gewünschten Belege sind im Auskunftsantrag genau aufzuführen! Geschieht dies nicht, so scheitert später die Zwangsvollstreckung. |
Rz. 64
Wer zur Auskunft verpflichtet ist, hat eine systematische Zusammenstellung aller erforderlichen Angaben zu erstellen, um dem Gegner ohne übermäßigen Aufwand eine Berechnung zu ermöglichen. Die Einreichung mehrerer Unterlagen, aus denen die Daten im Einzelnen zu ermitteln sind, genügt nicht; vielmehr ist eine in sich geschlossene schriftliche Aufstellung erforderlich.
IV. Anspruch auf vorzeitigen Zugewinnausgleich
Rz. 65
Auch im Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrages ist die Notwendigkeit eines Antrags auf vorzeitigen Zugewinnausgleich (§§ 1385, 1386 BGB) zu prüfen (dazu siehe § 3 Rdn 159).