Rz. 575

Es bedarf keiner näheren Ausführungen, dass die nach den vorstehenden Ausführungen vorgelegte Urkunde nur dann den Beweis der beweisbedürftigen Tatsache erbringen kann, wenn diese auch echt ist. Die §§ 437 ff. ZPO enthalten insoweit gesetzliche Beweisregeln über die Echtheit einer Urkunde.

 

Rz. 576

Nach § 437 ZPO gilt, dass eine inländische öffentliche Urkunde die Vermutung der Echtheit in sich trägt. Bestehen hier Zweifel, hat das Gericht die öffentliche Behörde oder die mit öffentlichem Glauben versehene Person aufzufordern, eine Erklärung über die Echtheit der Urkunde abzugeben. Der Beweiswert deutscher Urkunden (z.B. Aufenthaltsgestattung, Reiseausweis, Personalausweis, Reisepass, Vaterschaftsanerkennung) reicht allerdings nicht weiter als die Grundlagen, die der ausstellenden Behörde zur Prüfung vorlagen.[357]

 

Rz. 577

Soweit eine ausländische öffentliche Urkunde vorgelegt wird, hat das Gericht nach freiem Ermessen zu würdigen, ob es ohne weitere Nachweise von der Echtheit der Urkunde ausgeht.

 

Rz. 578

 

Tipp

Einem absehbaren Streit über die Echtheit einer ausländischen Urkunde kann der Beweisführer dadurch entgehen, dass er im Sinne von § 438 Abs. 2 ZPO den Konsul des ausländischen Staates oder die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland um die Legalisation der Urkunde bittet. Wird diese vorgelegt, ist damit der Beweis der Echtheit nach § 438 Abs. 2 ZPO geführt.[358]

 

Rz. 579

In der Praxis relevanter ist die Frage der Echtheit einer Privaturkunde bzw. der Authentizität der Unterschrift unter einer Privaturkunde.

 

Rz. 580

Nach § 439 Abs. 1 ZPO hat sich der Beweisgegner über die Echtheit einer vom Beweisführer vorgelegten Privaturkunde nach den Regeln des § 138 ZPO zu erklären. Dies gilt nach § 138 Abs. 2 ZPO insbesondere im Hinblick auf die Echtheit der Namensunterschrift.[359]

 

Rz. 581

Dies bedeutet, dass der Beweisgegner mitteilen muss, ob eine Privaturkunde, die nach der Behauptung des Beweisführers von ihm stammen soll, tatsächlich von ihm stammt und von ihm unterzeichnet wurde. Ein Bestreiten mit Nichtwissen ist nach § 138 Abs. 4 ZPO nur insoweit zulässig, wie die Urkunde weder von dem Beweisgegner selbst noch in seinem Beisein errichtet wurde.

 

Rz. 582

Gibt der Beweisgegner keine Erklärung zur Echtheit der Urkunde ab, so ist nach § 439 Abs. 3 ZPO die Echtheit der Urkunde als zugestanden anzusehen, wenn sich nicht aus der Gesamtheit der Ausführungen des Beweisgegners ergibt, dass er die Echtheit bestreiten will.

 

Rz. 583

Bestreitet der Gegner die Echtheit der Urkunde oder seiner vermeintlichen Namensunterschrift, so gilt zunächst, dass der Beweisführer nach § 440 Abs. 1 ZPO die Echtheit der Urkunde beweisen muss.

 

Rz. 584

Soweit jedenfalls feststeht, dass die Unterschrift unter der Urkunde von dem Beweisgegner stammt, hilft allerdings die gesetzliche Vermutung des § 440 Abs. 2 ZPO. Danach trägt die über der Unterschrift stehende schriftliche Erklärung die Vermutung der Echtheit in sich, wenn die Echtheit der Unterschrift feststeht oder ein dort befindliches Handzeichen notariell beglaubigt ist.

 

Rz. 585

Die Echtheit der Urkunde kann ansonsten durch ein schriftvergleichendes Sachverständigengutachten nach § 411 Abs. 1 ZPO auf Antrag[360] des Beweisführers geführt werden.

 

Rz. 586

Es ist mithin eine Beweisaufnahme über die Echtheit eines Beweismittels durchzuführen, wobei die Grundsätze über den Sachverständigenbeweis gelten. Wesentlich ist, dass der Sachverständigenbeweis nur möglich ist, wenn zur Schriftvergleichung geeignete andere Schriftstücke vorgelegt werden können. Hierzu ist der Beweisführer nach § 411 Abs. 2 ZPO verpflichtet. Verfügt der Beweisführer nicht über solche Schriftstücke, kann der Beweisgegner auf Antrag des Beweisführers nach § 411 Abs. 3 ZPO zur Vorlage solcher Schriftstücke verpflichtet werden.

 

Rz. 587

 

Tipp

In der Praxis hat sich als wirksames Mittel zur Herstellung der Grundlagen für eine Schriftvergleichung bei Unterschriften die Möglichkeit herausgestellt, den Beweisgegner vor dem Prozessgericht eine hinreichende Anzahl von Unterschriften persönlich leisten zu lassen. Damit wird jedenfalls im Hinblick auf Beweisurkunden, die nicht in einem zu großen zeitlichen Abstand zum Rechtsstreit errichtet wurden, die Manipulationsmöglichkeit verkleinert.

Im Übrigen sind frühere Verträge, Bankunterlagen, aber auch handschriftliche Briefe oder Postkarten zweckdienlich.

 

Rz. 588

Das Ergebnis der Schriftvergleichungen unterliegt sodann der freien Würdigung des Prozessgerichts.

[357] OLGR Schleswig 2008, 685.
[358] Vgl. hierzu etwa OLG Zweibrücken FamRZ 2004, 729 = OLGR 2004, 275 = JAmt 2004, 270.
[359] Hierzu OLGR Koblenz 2008, 511.
[360] Muster eines Antrages auf Einholung eines schriftvergleichenden Sachverständigengutachtens unter Rdn 761.

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