Rz. 476

Der Sachverständige kann gem. § 406 ZPO aus den gleichen Gründen wie ein Richter[288] abgelehnt werden.[289]

 

Rz. 477

Nach § 406 Abs. 1 S. 2 ZPO kann allerdings die Befangenheit nicht daraus hergeleitet werden, dass der Sachverständige bereits als Zeuge vernommen wurde.

 

Rz. 478

Wie bei der Richterablehnung bleibt unerheblich, ob der Sachverständige tatsächlich befangen ist. Entscheidend ist allein, ob die "Besorgnis der Befangenheit" besteht. Dies ist dann der Fall, wenn bei verständiger Würdigung aller Umstände bei einer verständigen Partei der Eindruck entstehen kann, dass der Sachverständige nicht unvoreingenommen ist.

 

Rz. 479

Die Antwort auf die Frage, wann ein Sachverständiger wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden kann, zeigt eine breite Kasuistik, die hier nicht erschöpfend nachgezeichnet werden kann. Insoweit wird auf die Kommentarliteratur verwiesen. Gleichwohl lassen sich verschiedene Komplexe von Befangenheitsgründen nennen, die im Einzelfall in unterschiedlicher Ausprägung in Betracht kommen:

die besondere Nähe des Sachverständigen aufgrund persönlicher oder wirtschaftlicher[290] Beziehungen zu einer Partei, auch als Angestellter oder Beamter;[291]

die Tätigkeit des Sachverständigen als Privatgutachter in derselben Sache;[292] dies gilt auch, wenn er lediglich eine Fotodokumentation zur Beweissicherung ohne gutachterliche Stellungnahme gefertigt hat;[293]

 

Hinweis

Nach einer Entscheidung des OLG Celle[294] soll die Partei das Ablehnungsrecht verlieren, wenn sich aus vorliegenden Unterlagen Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Sachverständige schon für die andere Partei als Privatgutachter tätig war und die ablehnende Partei sodann nicht unverzüglich weitere Erkundigungen einzieht.

die auf eine Partei beschränkte Hinzuziehung zu einem Ortstermin[295] ebenso wie die nicht offengelegte Kontaktaufnahme des Sachverständigen allein mit einer Partei;[296]
das Konkurrenzverhältnis zu einer Partei;[297]
bestehende geschäftliche Beziehungen zu einer Partei;[298]
ein Verhalten des Sachverständigen während des Rechtsstreites, in dem ein besonderes Wohlwollen für eine Partei oder ein unsachliches Missfallen[299] hinsichtlich einer Partei zum Ausdruck kommt,[300] nicht dagegen lediglich ein verspätetes Erscheinen zum Ortstermin.[301]
 

Rz. 480

Die Ablehnung eines Sachverständigen kann frühestens nach seiner Ernennung durch den Beweisbeschluss erfolgen.[302] Ein vor diesem Zeitpunkt eingelegtes Ablehnungsgesuch ist von dem Gericht als Anregung, auf die Ernennung des Sachverständigen zu verzichten, auszulegen. Allerdings bedarf es keiner förmlichen Entscheidung nach § 406 ZPO.

 

Rz. 481

Der Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen ist nach § 406 Abs. 2 S. 1 ZPO binnen einer Frist von zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung des Sachverständigen zu stellen.

 

Rz. 482

Ein späteres Ablehnungsgesuch[303] ist nur dann zulässig, wenn nach § 294 ZPO glaubhaft gemacht wird, dass der Antragsteller ohne sein Verschulden gehindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen.

 

Rz. 483

 

Hinweis

Besonders zu beachten ist, dass auch in diesem Fall der Ablehnungsantrag unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, gestellt werden muss. Ergibt sich der Ablehnungsgrund erst aus dem Sachverständigengutachten oder einer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme, der eine unsachliche Sachbehandlung durch den Sachverständigen entnommen werden kann, so verlangte die Instanzrechtsprechung in der Vergangenheit, dass auch in diesem Fall der Ablehnungsantrag unverzüglich gestellt wird.[304] Eine über zwei Wochen hinausgehende Frist sollte dabei nicht mehr angemessen sein.[305] Zum Teil[306] wurde sogar nur eine Frist von wenigen Tagen als angemessen erachtet. Auch wenn der Bevollmächtigte grundsätzlich gehalten ist, das Gutachten unmittelbar nach dessen Eingang auf Ablehnungsgründe gegen den Sachverständigen zu überprüfen,[307] hat der BGH klargestellt, dass im Allgemeinen die Frist zur Ablehnung des Sachverständigen gleichzeitig mit der vom Gericht gesetzten Frist zur Stellungnahme nach § 411 Abs. 4 ZPO abläuft, wenn sich die Partei zur Begründung des Antrags mit dem Inhalt des Gutachtens auseinandersetzen muss.[308] Anders verhält es sich aber dann, wenn der Ablehnungsgrund ohne Weiteres erkennbar ist, geradezu ins Auge springt.[309]

 

Rz. 484

Eine Ablehnung des Gutachters kommt nicht schon deswegen in Betracht, weil das Gutachten eine mangelnde Sachkunde des Sachverständigen zeigt oder Unzulänglichkeiten aufweist. Dies entwertet das Gutachten allein und mag ein weiteres Gutachten eines anderen Sachverständigen rechtfertigen, nicht jedoch die Ablehnung des Sachverständigen.[310] Allerdings können unsachliche Äußerungen des Sachverständigen oder gar Beleidigungen in einem ergänzenden Gutachten die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen.[311]

 

Rz. 485

Wird der Sachverständige zu einem Ablehnungsgesuch gehört, so erhält er hierfür keine gesonderte Entschädigung.[312]

 

Rz. 486

Wird ...

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