Entscheidungsstichwort (Thema)
Frist für die Ablehnung eines Sachverständigen/Ablehnung eines Sachverständigen, der Kontaktaufnahme zur beklagten Arztseite erst im Gutachten mitteilt
Leitsatz (amtlich)
1. Ergibt sich der Grund zur Ablehnung eines Sachverständigen aus dem Inhalt seines schriftlichen Gutachtens, so darf die (verlängerte) Frist zur Stellungnahme, nach § 411 Abs. 4 ZPO gleichwohl nicht ausschöpft werden, wenn
a) es zur Begründung des Ablehnungsgesuchs, etwa weil es um die Umstände einer erst im Gutachten mitgeteilten Kontaktaufnahme mit dem Prozessgegner geht, keines Rückgriffs auf die sonstigen - sachbezogenen - Inhalte des Gutachtens bedarf,
b) die betroffene Partei schon wenige Tage nach der Übersendung des Gutachtens auf das Vorliegen eines möglichen Ablehnungsgrundes hingewiesen hat und
c) der ablehnungswilligen Partei die von ihr verlangte "Auskunft" des Sachverständigen bereits mehrere Wochen vor Ablauf der verlängerten Frist nach § 411 Abs. 4 ZPO zugegangen ist. (Abgrenzung zu BGH NJW 2005, 1969 = BauR 2005, 1205 = GesR 2005, 327)
2. Der Umstand, dass ein in einer Arzthaftungssache tätiger Sachverständiger erst in seinem schriftlichen Gutachten offengelegt, dass er bestimmte - in der gutachtlichen Ausarbeitung im Einzelnen erläuterte und ausgewertete - Behandlungsunterlagen unmittelbar bei der Arztseite angefordert hat, begründet für sich genommen noch nicht die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen.
Normenkette
ZPO §§ 42, 406 Abs. 1, 2 S. 2, § 411 Abs. 4
Verfahrensgang
LG Aschaffenburg (Beschluss vom 31.01.2008; Aktenzeichen 1 O 249/06) |
Tenor
I. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des LG Aschaffenburg vom 31.1.2008 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
III. Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens: 20.000 EUR.
Gründe
I. Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Kammer in dem vorliegenden Arzthaftungsprozess das Ablehnungsgesuch des klagenden Patienten gegen den Gerichtssachverständigen vom 17.10.2007 (Bl. 551 ff. d.A.) zurückgewiesen. Die Ablehnung ist darauf gestützt, dass der Sachverständige - wie im Gutachten vom 30.7.2007 (dort S. 4 = 132 d.A.) offengelegt wird - mit Schreiben vom 29.5.2007 den Beklagten um Übersendung bestimmter "Diagnostik- und Behandlungsunterlagen" gebeten hatte (Bl. 146 d.A.), ohne hiervon zugleich das Gericht und den Prozessgegner zu unterrichten.
Die Kammer hat einen Ablehnungsgrund verneint, weil der Sachverständige seine Vorgehensweise im Rahmen seines Gutachtens ausdrücklich offengelegt habe und deshalb der vorausgegangene Schriftverkehr zwischen dem Sachverständigen und der Beklagtenseite bei objektiver Betrachtung nicht geeignet sei, die Besorgnis der Parteilichkeit des Gutachters zu begründen.
Das Beschwerdevorbringen hat den bisherigen Ablehnungsgrund um zwei weitere Beanstandungen erweitert: Zum einen wiederholt der Kläger seine bereits im Zusammenhang mit der Beauftragung des Gutachters aufgestellte Behauptung, es bestehe ein "freundschaftliches Verhältnis" zwischen dem Sachverständigen und dem Beklagten. Außerdem beruft sich die Beschwerde auf angebliche Divergenzen zwischen den gutachterlichen Aussagen des Sachverständigen im Parallelverfahren vor dem LG Darmstadt und seinen Feststellungen im Rahmen der vorliegenden Begutachtung.
II. Das gem. § 406 V ZPO statthafte und auch sonst zulässige Rechtsmittel (§§ 567 ff. ZPO) ist in der Sache offensichtlich unbegründet.
A.1. Das auf die einseitige Kontaktierung der Beklagtenseite gestützte Ablehnungsgesuch scheitert bereits daran, dass es verspätet angebracht wurde. Denn auch dann, wenn sich wie hier der Ablehnungsgrund erst nach der Bestellung des Sachverständigen ergibt, ist der Ablehnungsantrag nach § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO unverzüglich i.S.v. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB zu stellen, d.h. ohne schuldhaftes Zögern nach Kenntniserlangung vom Ablehnungsgrund (vgl. nur Zöller, 26. Aufl., Rz. 11 zu § 406 ZPO m.w.N.). Von dieser strengen Vorgabe ist nach der neueren Rechtsprechung des BGH nur dann eine Ausnahme zu machen, wenn sich der Ablehnungsgrund aus dem Inhalt des schriftlichen Gutachtens ergibt und sich die betroffene Partei zur Begründung ihres Ablehnungsantrages mit dem Inhalt des Gutachtens (näher) auseinandersetzen muss (BGH NJW 2005, 1869).
Ein solcher Ausnahmefall scheidet hier schon auf der Grundlage des klägerischen Vorbringens aus: So hat die Klägerseite bereits wenige Tage nach der Übersendung des Gutachtens auf den darin offengelegten Vorgang einer "direkten Korrespondenz" zwischen dem Sachverständigen und dem Beklagten aufmerksam gemacht und zugleich erklärt, dass sie sich die Stellung eines Befangenheitsantrags ausdrücklich vorbehalte, weil "allein die direkt geführte Korrespondenz ... einen Befangenheitsgrund darstellen (könne)" (Schriftsatz vom 10.8.2007 = Bl. 142, 143 d.A.). Demzufolge war die Klägerseite auch nach ihrem eigenen Vorbringen nicht darauf angewiesen, sich zur Begründung eines Ablehnungsantrages noch mit dem sonstig...