Rz. 58

Im Namen des Volkes

– Urteil –

In dem Rechtsstreit _________________________

– Kläger –

– Prozessbevollmächtigte/r: _________________________

gegen

_________________________ Rechtsschutz-Versicherungs-AG,

vertr. d. d. Vorstand, _________________________

– Beklagte –

– Prozessbevollmächtigte/r:

Rechtsanwälte _________________________

hat das Amtsgericht Wedding, Abt. 11 auf die mündliche Verhandlung vom 28.4.1998 durch den Richter am Amtsgericht für Recht erkannt:

1. Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Wedding vom 5.12.1997 wird aufrechterhalten.
2. Die Beklagte hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 495a Abs. 2 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 5.12.1997 ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, §§ 339, 340 ZPO.

Die erneute mündliche Verhandlung führt zur Aufrechterhaltung dieses Urteils, denn dem Kläger steht nach dem zwischen den Parteien geschlossenen Rechtsschutzversicherungsvertrag ein Freistellungsanspruch gegen die Beklagte hinsichtlich der in dem arbeitsgerichtlichen Verfahren vor dem Arbeitsgericht Berlin – 1 Ca 1614/96 – angefallenen Gebührenforderung seiner Prozessbevollmächtigten auch insoweit zu, als diese auf dem in der dortigen Klageschrift angekündigten Weiterbeschäftigungsantrag beruht.

Entgegen der Ansicht der Beklagten lag nämlich im Zeitpunkt der Klageerhebung im Kündigungsschutzverfahren ein Versicherungsfall gem. § 14 der allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB) vor. Nach § 14 Abs. 3 S. 1 ARB gilt ein Versicherungsfall u.a. in dem Zeitpunkt als eingetreten, in dem der Gegner begonnen hat oder begonnen haben soll, gegen Rechtspflichten zu verstoßen. Der Kläger konnte und durfte die Kündigungserklärung seines damaligen Arbeitgebers vom 19.12.1995 dahingehend verstehen, dass dieser den geltend gemachten Weiterbeschäftigungsanspruch nach Ablauf der Kündigungsfrist nicht freiwillig erfüllen werde, und zwar auch dann nicht, wenn das Arbeitsgericht in erster Instanz die Kündigung für unwirksam erklärt haben würde. Dafür spricht nach allgemeiner Lebenserfahrung bereits der Beweis des ersten Anscheins. Dies gilt den Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts in seinem grundlegenden Urteil zum Weiterbeschäftigungsanspruch (BAG NJW 1985, 2968 ff.) folgend nicht zuletzt deshalb, weil ein Arbeitgeber, der einen gekündigten Arbeitnehmer während des laufenden Kündigungsschutzprozesses weiterbeschäftigt, damit das nicht unerhebliche Risiko eingeht, dass er bei einem von ihm letztlich gewonnenen Prozess den Arbeitnehmer ohne Rechtsgrund beschäftigt und dadurch zu seinem eigenen Nachteil Fakten geschaffen hat, die nicht oder nicht vollständig wieder rückgängig gemacht werden können (BAG a.a.O. S. 2971). In diesem Falle liefe der Arbeitgeber Gefahr, "dadurch den Ausgang des Kündigungsschutzprozesses zu seinen Ungunsten faktisch zu präjudizieren. Durch die tatsächliche Weiterbeschäftigung können personen-, verhaltens- und betriebsbedingte Kündigungsgründe an Bedeutung verlieren" (BAG a.a.O. S. 2973 m.w.N.).

Danach oblag es der Beklagten, die durch den Beweis des ersten Anscheins vermittelte Überzeugung des Gerichts durch Darlegung konkreter Tatsachen zu der Frage zu erschüttern, aus welchen Umständen sich hier ergeben könnte, dass der Arbeitgeber des Klägers diesen im Falle einer Stattgabe der Klage in der ersten Instanz freiwillig weiterbeschäftigt hätte; dazu hat die Beklagte jedoch nichts vorgetragen.

Die Beklagte kann sich auch nicht auf § 15 Abs. 1d); cc) ARB berufen, da die Interessen des Klägers unbillig beeinträchtigt worden wären, wenn er es hätte unterlassen müssen, den Weiterbeschäftigungsanspruch bereits mit der Klage zu erheben. Dies folgt schon aus der Tatsache, dass es in diesem Falle dem Kläger bei einer Säumnis des Arbeitgebers im Gütetermin infolge einer fehlenden Rechtshängigkeit dieses Anspruchs nicht sofort möglich gewesen wäre, diesen schon in dem anderenfalls zu beantragenden Versäumnisurteil titulieren zu lassen.

Aber auch unter den Gesichtspunkt des "Druckmittels" für ggf. zu führende Abfindungsverhandlungen durfte der Kläger den Weiterbeschäftigungsanspruch bereits vor dem Gütetermin ankündigen. Dass dies die Chancen des Arbeitnehmers hinsichtlich des Inhalts eines zu schließenden Abfindungsvergleichs erhöht, bestreitet auch die Beklagte nicht. Wenn sie darauf verweist, ein solches Vorgehen fände keine Stütze in den ARB, muss sie sich insoweit § 1 Abs. 1 ARB entgegenhalten lassen, nach dem der Versicherer verpflichtet ist, die Kosten der rechtlichen Interessenwahrnehmung des Versicherungsnehmers zu tragen, soweit diese hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Zunächst kann nicht zweifelhaft sein, dass das Interesse des Klägers am Inhalt eines Abfindungsvergleichs ein rechtliches ist, wenn von diesem Inhalt abhängt, ob und zu welchen Konditionen ein vertragliche...

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