Rz. 86
Es gibt ein Grundgeschäft zwischen dem ausscheidungswilligen Miterben einerseits und den in der Erbengemeinschaft verbleibenden Miterben andererseits. Der Ausscheidende verspricht, sofort oder zu einem bestimmten Zeitpunkt oder nach Leistung einer Abfindung auszuscheiden; die verbleibenden Miterben versprechen i.d.R., eine Abfindungsleistung aus dem Nachlass oder aus ihrem Privatvermögen zu leisten. Erforderlich ist die Zustimmung aller Miterben. Dieser Vertrag ist nach der Interessenlage ein gegenseitiger Vertrag: Es stehen sich der abzuschichtende Miterbe auf der einen Seite und die in der Erbengemeinschaft verbleibenden Miterben auf der anderen Seite gegenüber. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der BGH von einer "formfrei zugelassenen vertraglichen Erbauseinandersetzung" spricht.
Rz. 87
Ein Miterbe kann im Wege der Abschichtung formfrei auch aus einer Erbengemeinschaft ausscheiden, zu der ein Grundstück gehört. Ob die Abfindung aus dem Nachlass geleistet wird oder aus dem Privatvermögen des oder der anderen Erben, ist für die Formbedürftigkeit des Ausscheidens nicht bedeutsam. Wenn als Abfindung aber die Leistung eines Gegenstandes vereinbart wird, der nur durch ein formbedürftiges Rechtsgeschäft übertragen werden kann (etwa ein Grundstück), ist die für dieses Rechtsgeschäft geltende Form zu beachten (§ 311b Abs. 1 BGB).
Rz. 88
Der Vollzug des Grundgeschäfts geschieht einerseits dadurch, dass die Abfindung an den Abgeschichteten geleistet wird, also z.B. ein Gemälde übereignet wird. Die zum Vollzug der versprochenen Leistung erforderlichen Erklärungen (hier: Übereignungserklärungen gem. §§ 929 ff. BGB) werden in Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Grundvertrag vorgenommen, so dass es keiner Bestellung eines Ergänzungspflegers (§ 1809 Abs. 1 S. 1 BGB) bedarf.
Das (vermögensmäßige) Ausscheiden des Miterben aus der Erbengemeinschaft geschieht nach § 712 Abs. 1 BGB (§ 738 Abs. 1 S. 1 BGB a.F.) analog kraft Gesetzes zu dem von den Beteiligten festgesetzten Termin. Es bedarf also insoweit keines Vollzugsgeschäfts.
Rz. 89
Es handelt sich beim Ausscheiden aus der Erbengemeinschaft um eine gesetzliche Folge der Erklärung, auszuscheiden, also um keine rechtsgeschäftliche Übertragung des Erbteils, so dass § 2033 BGB nicht anwendbar ist. Kraft Gesetzes wächst die Beteiligung des Ausscheidenden am Nachlass den verbleibenden Miterben an. Die Folge des vermögensmäßigen Ausscheidens aus der Erbengemeinschaft durch den Abgeschichteten ist, dass alle Nachlassgegenstände nun einer kleiner gewordenen Zahl der Beteiligten Miterben gehören. Z.B. bei den zum Nachlass gehörenden Grundstücken wächst den verbleibenden Miterben der Anteil des Abgeschichteten am Grundstück kraft Gesetzes analog § 712 BGB (§ 738 BGB a.F.) zu. Das Versprechen auszuscheiden, also die gesetzliche Anwachsung zugunsten der verbleibenden Miterben in die Wege zu leiten, löst nach der Rechtsprechung des BGH auch keine Beurkundungspflicht nach § 311b Abs. 1 BGB für das Grundgeschäft aus. Das Grundbuch ist entsprechend zu berichtigen; Grundlage dafür ist eine beglaubigte Berichtigungsbewilligung.