Rz. 35

Der Versorgungsausgleich dient der Ausgleichung von Ansprüchen auf Altersversorgung zwischen den Eheleuten. Unabhängig von Unterhaltsverpflichtungen geschiedener Ehegatten und ohne Rücksicht auf den Güterstand wird bei der Ehescheidung grundsätzlich ein Versorgungsausgleich durchgeführt. Dessen Ziel ist es, dem während der Ehe nicht oder nur weniger verdienenden Ehegatten, z. B. einer Hausfrau oder einem Hausmann, einen gerechten Anteil an der gemeinsam erworbenen Altersversorgung zukommen zu lassen (§§ 1587 ff. BGB). Gemäß § 137 Abs. 1 S. 2 FamFG wird der Versorgungsausgleich zusammen mit der Ehescheidung im so genannten Zwangsverbund durchgeführt.

Ähnlich wie beim Zugewinnausgleich werden die in der Ehezeit erworbenen Anwartschaften auf eine Versorgung wegen Alters-, Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit (insbesondere also Renten aus der Sozialversicherung, Beamtenpensionen, betriebliche Rentenansprüche, Renten aus einer privaten Versicherung oder aus einer Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes) in der Weise ausgeglichen, dass dem Ehegatten mit den wertniedrigeren Anwartschaften als Ausgleich ein Anspruch auf die Hälfte des Wertunterschieds zusteht (§ 1587a BGB). Ausgleichspflichtig ist der Ehegatte mit den werthöheren Anwartschaften. Auch so genannte "Riester-Verträge" können einen Ausgleichsanspruch begründen.

 

Rz. 36

Nach § 50 Abs. 1 FamGKG beträgt der Verfahrenswert für jedes Anrecht auf Altersversorgung, das Gegenstand des Versorgungsausgleichsverfahrens im Scheidungsverbund ist, 10 % des in drei Monaten erzielten Nettoeinkommens beider Ehegatten. Für den Versorgungsausgleich beträgt der Mindestwert 1.000 Euro (§ 50 Abs. 1 S. 2 FamGKG).

 

Hinweis:

Der Mindestwert von 1.000 Euro gilt nicht für jedes einzelne vom Gericht zu prüfende Anrecht, sondern für alle Anrechte insgesamt (§ 50 Abs. 1 S. 2 FamGKG). Dies ergibt sich aus der Formulierung in Satz 2 ("… insgesamt …").

 

Rz. 37

Als Wert für jeden einzelnen Anspruch auf Versorgungsausgleich wird 10 % des dreimonatigen Nettoeinkommens beider Eheleute berechnet. Dies deutet scheinbar auf die Ermittlung des Wertes des Eheverfahrens nach § 43 FamGKG hin; jedoch werden dort auf den Dreimonatsbetrag je nach Fall individuelle Zu- und Abschläge vorgenommen (siehe Rdn 19 ff.). Da der Gesetzestext des § 50 Abs. 1 FamGKG aber nicht ausdrücklich auf § 43 FamGKG verweist, sondern nur vom "in drei Monaten erzielten Nettoeinkommen der Ehegatten" spricht, muss hier das Nettoeinkommen von drei Monaten ohne Zu- und Abschläge zur Berechnung verwendet werden. So sehen es neben anderen Gerichten auch das OLG Koblenz, Beschluss vom 28.02.2011 – 9 WF 157/11, das OLG Nürnberg, Beschluss vom 13.03.2012 – 7 WF 290/12 und das OLG Celle, Beschluss vom 17.12.2013 – 12 WF 92/13.

Dies bedeutet, dass nicht einfach der nach § 43 FamGKG ermittelte Wert der Ehesache zur Berechnung des Wertes der Ansprüche auf Versorgungsausgleich herangezogen werden darf, da er in den meisten Fällen Zu- und Abschläge enthalten wird. Vielmehr werden zur Berechnung des Wertes eines Anspruches auf Versorgungsausgleich die 10 % nur vom reinen dreimonatigen Nettoeinkommen beider Ehegatten berechnet, ohne Zu- und Abschläge. Es ist denkbar, dass sich hierdurch in der Praxis eine Fehlerquelle ergeben kann.

Bei mehreren Anrechten wird der Wert für jedes einzelne Anrecht jeweils mit 10 % des dreimonatigen Nettoeinkommens berechnet. Wenn also Ehemann und Ehefrau jeweils ein Anrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben haben, so liegen zwei Anrechte vor, sodass für jedes Anrecht die 10 % vom Dreimonatseinkommen zu berechnen sind.

 

Beispiel:

Die Eheleute Alt wollen sich scheiden lassen. Herr Alt hat ein monatliches Nettoeinkommen von 3.700,00 EUR, Frau Alt verdient 2.300,00 EUR netto im Monat. Herr Alt erhält von seinem Arbeitgeber ein Weihnachtsgeld in Höhe von netto 2.000,00 EUR. Das Ehepaar hat ein volljähriges und vier minderjährige Kinder. Die Scheidung wird im Verbund mit dem Versorgungsausgleich durchgeführt. Beide Eheleute haben jeweils ein Anrecht auf Altersversorgung aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Kindschaftssachen werden nicht anhängig.

Der Gegenstandswert der Ehesache beträgt 15.500,00 EUR und berechnet sich gemäß § 43 FamGKG wie folgt:

Das Dreimonatseinkommen der Eheleute ist so zu berechnen:

3.700,00 EUR + 2.300,00 EUR = 6.000,00 EUR x 3 = 18.000,00 EUR.

Hinzuzurechnen ist der auf die drei Monate entfallende Anteil am Weihnachtsgeld in Höhe von 500,00 EUR (2.000,00 EUR : 4 = 500,00 EUR), sodass das Dreimonatseinkommen mit 18.500 EUR anzusetzen ist.

Für die vier minderjährigen Kinder nehmen wir einen Abschlag von monatlich 250,00 EUR vor, also 250,00 EUR x 4 x 3 = 3.000,00 EUR, sodass sich das endgültige Dreimonatseinkommen mit 15.500,00 EUR errechnet, wobei keine weiteren Zu- oder Abschläge vorgenommen werden, da die sonstigen Umstände durchschnittlich sind. Siehe auch Rdn 19 ff.

Zur Berechnung des Wertes der Anrechte auf Versorgungsausgleich darf jetzt nicht der vorstehend errechnete Wert der Eh...

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