Rz. 53

Für die Fälle der Eheauflösung und die ihr gleichgestellten Fälle wird das Alles-oder-nichts-Prinzip des § 2268 Abs. 1 abgemildert. Die Verfügungen bleiben insoweit wirksam als anzunehmen ist, dass sie auch für einen solchen Fall getroffen sein würden. Die Aufrechterhaltung ist also keine Folge einer Umdeutung; die Verfügung bleibt vielmehr von vornherein wirksam.[62] Für die Aufrechterhaltung kommt es auf den wirklichen oder hypothetischen Willen des Testators zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung an.[63] Enthält ein gemeinschaftliches Testament für den Überlebenden eine Öffnungsklausel, d.h. die Möglichkeit, frei von Todes wegen zu verfügen, so ist grundsätzlich ein Fortgeltungswillen auszuschließen.[64] Später eingetretene Tatsachen können lediglich als Indizien für den wirklichen oder hypothetischen Willen zum Zeitpunkt der Abfassung der Verfügung herangezogen werden.[65]

 

Rz. 54

Zur Auslegungspraxis ein Fall des OLG Köln: Gegen die Annahme, dass der Erblasser das gemeinschaftliche Testament zugunsten seiner Ehefrau auch dann errichtet hätte, wenn er vorausgesehen hätte, dass zum Zeitpunkt des Erbfalls ein Scheidungsverfahren anhängig sein würde, spricht, dass der Erblasser kurz nach der Trennung ein Testament zugunsten seiner Tochter errichtete.[66]

[62] Muscheler, DNotZ 1994, 733, 740; Kanzleiter, DNotZ 1973, 133, 141.
[63] BGH FamRZ 1960, 28, 29.
[64] LG München I ZEV 2008, 537.
[65] BGH FamRZ 1960, 28, 29; 1961, 364, 366; BayObLG NJW 1996, 133, 134 = DNotZ 1996, 302 m. Anm. Kuchinke; BayObLG FamRZ 1993, 362, 363.

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