Rz. 151

Enthielten die alten AHB 2006 in § 25 Ziff. 3, in Anlehnung an § 154 Abs. 2 VVG a.F., noch das sogenannte Anerkenntnis- und Befriedigungsverbot, ist eine derartige Regelung in den neuen AHB 2008 nicht mehr zu finden. Nach § 105 VVG sind Vereinbarungen eines Anerkenntnis- oder Befriedigungsverbotes unwirksam; diese Norm ist nicht dispositiv. Nach alter Rechtslage führte ein Verstoß des Versicherungsnehmers gegen das Anerkenntnis- und Befriedigungsverbot zur Leistungsfreiheit des Versicherers, es sei denn, der Versicherungsnehmer konnte die Befriedigung oder die Anerkennung nicht ohne offenbare Unbilligkeit verweigern. Es hatte sich für das alte Recht die sogenannte Relevanzrechtsprechung herausgebildet, nach der der Versicherer dann zur Leistung verpflichtet blieb, wenn das Verhalten des Versicherungsnehmers für die Leistungspflicht des Versicherers nicht ursächlich war.[200] Das Anerkenntnisverbot führte für den Versicherten auch im Bereich der Arzthaftpflichtversicherung zu erheblichen Schwierigkeiten. Der Arzt war im Unklaren darüber, wo die Grenze zwischen zulässiger Information des Patienten und unzulässigem Anerkenntnis liegen sollte. Einigkeit bestand darüber, dass grundsätzlich keine Offenbarungspflicht des Arztes zur Anzeige von Behandlungsfehlern anzunehmen war.[201] Andererseits war der Arzt auch unter versicherungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht verpflichtet, einen Sachverhalt zu verschweigen, von dem ihm unterlaufenen Behandlungsfehler abzulenken oder auch nicht einzugestehen, einen Fehler gemacht zu haben. Es konnte kein Verstoß gegen die Obliegenheiten aus dem Versicherungsvertrag dadurch begründet sein, dass der Arzt den Patienten von sich aus über einen Behandlungsfehler aufklärt.[202] Wahrheitsgemäße Erklärungen und Tatsachen fielen auch nach altem Recht nicht unter das Anerkenntnisverbot, auch dann nicht, wenn sie einen Tatsachenkomplex zusammenfassten und den geschilderten Unfallverlauf würdigten.[203]

 

Rz. 152

Nach der VVG-Reform ist ein Anerkenntnis- und Befriedigungsverbot nicht mehr statthaft. Allerdings besteht die Leistungspflicht des Versicherers weiterhin nur dann, wenn tatsächlich ein Versicherungsfall im Sinne der Vertragsbestimmungen vorliegt. Hat ein Versicherungsnehmer also voreilig einen unbegründeten Anspruch befriedigt, bekommt er hierfür keine Deckung. Hat er den nicht haltbaren Anspruch anerkannt, bleibt nur er selbst dem Anspruchsteller gegenüber zur Leistung verpflichtet. Dies führt im Ergebnis bei einem ausgesprochenen Anerkenntnis oder einer erfolgten Befriedigung zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer über das Vorliegen eines Versicherungsfalls. Für den Versicherer wird durch ein Anerkenntnis die sachgerechte Prüfung des Schadens erheblich erschwert, da er faktisch gegen die Erklärung seines eigenen Versicherungsnehmers prüfen muss, ob er nicht doch von der Leistung frei werden kann, weil tatsächlich kein Versicherungsfall gegeben ist. Die nach altem Recht bestandene Auseinandersetzung über das Vorliegen eines Versicherungsfalls zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer auf der einen Seite und Anspruchsteller auf der anderen Seite wird insofern auf das Innenverhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer verlagert.

 

Rz. 153

Ob allerdings tatsächlich die Änderung des Anerkenntnis- und Befriedigungsverbotes in der täglichen Arbeit der Arzthaftpflichtversicherer bedeutsam wird, kann bezweifelt werden. Voreilig ausgesprochene Anerkenntnisse der Ärzte und Krankenhäuser sind eher unüblich.[204] Die Information über Umstände, die die Annahme eines Behandlungsfehlers begründen (§ 630 c Abs. 2 BGB) ist eine reine Sachverhaltsinformation und kein Anerkenntnis.

[200] Franz, VersR 2008. 298–315.
[201] Laufs/Kern-Schlund, § 21 Rn 9, vgl. aber jetzt § 630c Abs. 2 BGB.
[202] OLG Düsseldorf VersR 1989, 393.
[203] BGH VersR 1984, 383; Prölss/Martin-Lücke, § 105 Rn 14 m.w.N.
[204] Zur neuen Rechtslage: Franz, VersR 2008, 298–312.

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