Prof. Karl-Otto Bergmann, Dr. Carolin Wever
Rz. 55
Bereits mit dem Inkrafttreten des "GKV-Gesundheitsreformgesetzes" am 1.1.2000 sollte die integrierte Versorgung (IV) nachhaltig gefördert werden. Die Möglichkeit integrierter Versorgung wurde zunächst zwar beachtet, aber es wurden so gut wie keine Integrationsvorsorgeverträge geschlossen. Mit dem seit dem 1.1.2004 geltenden "GVK-Modernisierungsgesetz" sollten der integrativen Versorgung neue Impulse gegeben werden. Zu diesem Zweck ermöglicht § 140b Abs. 1 und 2 SGB V den Krankenkassen mit
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Gemeinschaften zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassener Ärzte und Zahnärzte sowie einzelnen sonstigen an der Versorgung der Versicherten teilnehmenden Leistungserbringern oder deren Gemeinschaften, |
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kassenärztlichen Vereinigungen, |
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Trägern zugelassener Krankenhäuser, Trägern von stationären Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, soweit mit ihnen ein Versorgungsvertrag nach § 111 SGB V besteht, Trägern von ambulanten Rehabilitationseinrichtungen oder deren Gemeinschaften, |
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Gemeinschaften der vorgenannten Leistungserbringer |
unmittelbar Verträge abzuschließen. In diesen Integrationsverträgen übernehmen die von den Krankenkassen unter Vertrag genommenen Leistungserbringer diesen gegenüber die Gewähr dafür, dass sie die organisatorischen, betriebswirtschaftlichen sowie die medizinischen und medizinisch-technischen Voraussetzungen für die vereinbarte integrierte Versorgung entsprechend dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse und des medizinischen Fortschritts erfüllen und eine an dem Versorgungsbedarf der Versicherten orientierte Zusammenarbeit zwischen allen an der Versorgung Beteiligten einschließlich der Koordination zwischen den verschiedenen Versorgungsbereichen und einer allen an der integrierten Versorgung Beteiligten im erforderlichen Umfang zur Verfügung stehenden Dokumentation sicherstellen, § 140b Abs. 3 S. 2 SGB V. In dem Ausmaß, wie ein Vertrag zur integrierten Versorgung zwischen Krankenkasse und Trägergesellschaft abgeschlossen wird, erlischt die Pflicht der Kassenärztlichen Vereinigung, die Versorgung sicher zu stellen, gleichzeitig aber auch ihre Einwirkungsmöglichkeit über die kollektivvertragliche Normsetzung. Das Vertretungsmonopol der vertragsärztlichen Leistungserbringer durch die Kassenärztlichen Vereinigungen wird damit aufgebrochen zugunsten eines – im Ansatz jedenfalls möglichen – Systems der Einzelverträge.
Rz. 56
Soweit es die vertragsärztliche Versorgung betrifft, sind die zwischen den Spitzenverbänden der Krankenkassen mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung nach § 140d SGB V getroffenen Rahmenvereinbarungen zu beachten.
Rz. 57
Damit ermöglichen diese Verträge die Verzahnung ambulanter und stationärer Versorgungsformen sowie die Einbindung anderer Leistungserbringer wie Apotheker, Heilmittelerbringer u.v.m., was bisher nur im Rahmen von Modellvorhaben möglich war. Integrierte Versorgung ist dadurch gekennzeichnet, dass Krankenkassen und Leistungserbringer autonom Verträge über eine sektoren- oder fachübergreifende Versorgung außerhalb des Sicherstellungsauftrages nach § 75 Abs. 1 SGB V schließen. Die komplizierte gesetzliche Ausgestaltung der integrierten Versorgung steht einer Verbreitung im Gesundheitswesen derzeit entgegen.
Rz. 58
Im Rahmen der integrierten Versorgung bestehen grundsätzlich haftungsrechtlich keine Besonderheiten. Jeder teilnehmende Arzt haftet für den eigenen Behandlungs- bzw. Aufklärungsfehler. Da jede Risikoänderung anzeigepflichtig ist, erscheint auch der Abschluss der integrierten Versorgung anzeigepflichtig.
Rz. 59
Da aber die Versorgung nicht immer nur "aus einer Hand" durch ein Krankenhaus, sondern auch in gemeinsamer Regie mehrerer Leistungserbringer aus unterschiedlichen Leistungsbereichen (beispielsweise Hausärzte, niedergelassene Fachärzte, Krankenhaus, Rehabilitationseinrichtung, Apotheken) erbracht werden kann, schafft die notwendige Zusammenarbeit zwischen mehreren Leistungserbringern auch Haftungspotentiale und damit Deckungsprobleme. Bisher sind die Rechtsprobleme noch nicht geklärt. Wenn der Integrationsvertrag als Vertrag zugunsten Dritter, nämlich des teilnehmenden Patienten, einzuordnen ist, erlangt der Patient vertragliche Schadensersatzansprüche nicht nur gegen den behandelnden Vertragsarzt, sondern auch gegen den Krankenhausträger, der sich im Integrationsvertrag zur Erbringung sämtlicher Leistungen gegenüber der Krankenkasse verpflichtet hat. Es wird auch eine gesellschaftsrechtliche Haftung diskutiert, da das gemeinsame Auftreten der Krankenhausärzte mit den Vertragsärzten für den Patienten den Anschein ärztlicher Behandlung durch eine aus Krankenhaus und Vertragsärzten bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts bilden kann.
Rz. 60
Ebenso wenig geregelt ist bisher die Haftung des Vertragspartners der Krankenkasse, die sich im Integrationsversorgungsvertrag verpflichtet, für ausreichenden Haftungsschutz zu sorgen, wobei sie gegenüber dem Kostenträger auch für die sog. Netzwerkpartner haftet.
Rz. 6...