Rz. 325
Beispiel
Es gibt vier Miterben zu je ¼: A, B, C und D. D soll aus der Erbengemeinschaft gegen eine Geldzahlung ausscheiden. Im Nachlass befindet sich ein Grundstück.
Es gibt zunächst ein Grundgeschäft zwischen dem ausscheidungswilligen Miterben D einerseits und den verbleibenden Miterben andererseits. Der Erstgenannte verspricht, mit der Zahlung abgeschichtet zu sein, und erklärt sein Ausscheiden aus der Erbengemeinschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt. Die Gegenseite verspricht, eine Abfindungsleistung aus dem Nachlass oder aus einem Privatvermögen zu leisten. Erforderlich ist die Zustimmung aller Miterben zu diesem Vertrag. Dieser sog. Abschichtungsvertrag ist nach der Interessenlage ein gegenseitiger Vertrag: Es stehen sich der abzuschichtende Miterbe D auf der einen Seite und die verbleibenden Miterben gegenüber. Anders als bei der persönlichen Teilauseinandersetzung durch die Übertragung des Erbteils müssen alle verbleibenden Miterben auf der Gegenseite stehen. Es genügt nicht, wenn der Vertrag nur zwischen C und D geschlossen wird – dies anders als bei einer Erbteilsübertragung. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der BGH von einer "formfrei zugelassenen vertraglichen Erbauseinandersetzung" spricht.
Rz. 326
Die Willenserklärungen der in der Erbengemeinschaft verbleibenden Miterben richten sich nicht wie bei einer normalen Erbauseinandersetzung gegeneinander, sondern an den Abzuschichtenden. Auf solche parallel gerichteten Willenserklärungen der abschichtenden Miterben an den Abzuschichtenden werden die §§ 1795, 181 BGB nicht angewandt (siehe Rdn 148). Es bedarf also – soweit es nur um die Seite der Abschichtenden geht – keiner Bestellung eines oder mehrerer Ergänzungspfleger (§ 1909 BGB), wenn minderjährige Kinder oder auch neben diesen deren Eltern nur auf dieser Seite stehen.
Hier unterscheidet sich also die Abschichtung von der vertraglichen Erbauseinandersetzung, bei der alle Miterben untereinander den Vertrag schließen (siehe Rdn 300 ff.).
Rz. 327
Nach der Rechtsprechung bedarf der (schuldrechtliche) Abschichtungsvertrag grundsätzlich keiner Form, denn er ist als Erbauseinandersetzungsvertrag unter § 2042 BGB zu subsumieren. §§ 2371, 2385 BGB sind nach der Rechtsprechung folglich nicht, auch nicht analog, anwendbar.
Soll der Abzuschichtende mit Geld ausbezahlt werden, und verbleiben z.B. die zum Nachlass gehörenden Grundstücke bei den verbleibenden Miterben, so wächst diesen der "Anteil" des Abgeschichteten am Grundstück – ebenso wie allen anderen (noch) im Nachlass befindlichen Gegenständen – kraft Gesetzes (§ 738 BGB analog) an. Es gibt keinerlei Grundstücksübertragung: Der Abzuschichtende löst das Versprechen, aus der Erbengemeinschaft auszuscheiden, durch die schlichte Erklärung, er scheide aus, ein. Die Rechtsfolge ist die gesetzliche Anwachsung zugunsten der verbleibenden Miterben. Vermögensrechtlich gehört dann das Grundstück – wie auch der gesamte noch vorhandene Nachlassbestand – den verbliebenen drei Miterben zu je ⅓.
Dass der Abschichtungsvertrag auf die Anwachsung der Beteiligung der verbleibenden Miterben am Nachlass ausgerichtet ist, unterwirft ihn z.B. nicht – wegen eines Nachlassbestandteils unter vielen – wegen vorhandener Grundstücke dem § 311b BGB.