Rz. 328
Beispiel
Es gibt vier Miterben zu je ¼: Zwei minderjährige Kinder, deren Vater und den Bruder des Vaters. Der Onkel der Kinder soll aus der Erbengemeinschaft ausscheiden, er soll abgeschichtet werden. Er soll dafür ein Grundstück aus dem Nachlass erhalten. Für das Ausscheiden aus der Erbengemeinschaft wird der Tag der Berichtigung des Grundbuchs durch seine Löschung als Eigentümer festgelegt.
Rz. 329
Der Abschichtungsvertrag ist eine besondere Form des Erbauseinandersetzungsvertrags.
Nur weil ein Grundstückaus dem Nachlass an den Onkel übertragen werden soll, muss die Form des § 311b Abs. 1 BGB beim Abschichtungsvertrag eingehalten werden, also die notarielle Beurkundung. Sonst würde er keiner Form bedürfen (siehe Rdn 326).
Der Vater und die Mutter vertreten die in der Erbengemeinschaft verbleibenden Kinder. § 181 BGB mit dem Verbot der Mehrvertretung ist insoweit nicht einschlägig, denn beide Kinder geben, jedes für sich, ihre eigenen Versprechungen an den abzuschichtenden Onkel ab; es handelt sich also um parallel gerichtete Erklärungen.
Der Vater gibt auch für sich das Versprechen ab, das zum Nachlass gehörende Grundstück zu übertragen. Es handelt sich ebenfalls um eine Erklärung, die zu den Erklärungen der Kinder gleichgerichtet ist. Deshalb greift insoweit auch § 181 BGB nicht ein.
Der Onkel, der Vertragsgegner beim Abschichtungsvertrag, ist noch Miterbe. Auch er gibt als solcher das Versprechen ab, das Nachlass-Grundstück "auf sich selbst zu übertragen", genauer: das gesamthänderische (Mit-)Eigentum der Erbengemeinschaft auf sich als Alleineigentümer zu übertragen. § 181 BGB ist bei diesem In-Sich-Geschäft des Onkels nicht abwendbar, weil alle Beteiligten mit dem Geschäft einverstanden sind.
Rz. 330
Trotz des Ausdrucks "Abschichtungsvertrag" handelt es sich doch der Sache nach um einen (Teil-)Erbauseinandersetzungsvertrag (§ 2042 BGB). Da die Minderjährigen in der Erbengemeinschaft verbleiben, sie gehören zu den abschichtenden Miterben, bedarf der schuldrechtliche Vertrag, der zur Abschichtung verpflichtet, dann der familiengerichtlichen Genehmigung nach § 1822 Nr. 2 BGB, wenn auch nur auf einer Seite des Vertrages ein Pfleger handelt (§ 1915 BGB). Auf Eltern als Vertreter minderjähriger Miterben ist gemäß § 1643 BGB der § 1822 Nr. 2 BGB nicht anwendbar. § 1822 Nr. 4 BGB (Verpflichtung zur Verfügung über das Grundstück) ist anwendbar, weil die minderjährigen Miterben sich verpflichten, die Eigentumsverhältnisse am Grundstück zu ändern. Der Onkel als Gesamthandseigentümer soll Alleineigentümer werden.
Rz. 331
Einen eigentlichen Vollzug des (schuldrechtlichen) Abschichtungsvertrags hinsichtlich des Ausscheidens gibt es nicht. Entsprechend § 738 Abs. 1 S. 1 BGB – also kraft Gesetzes – scheidet der Abgeschichtete aufgrund seiner Austrittserklärung vermögensmäßig zu dem festgelegten Zeitpunkt aus der Gemeinschaft aus. Kraft Gesetzes wächst dann die vermögensmäßige Beteiligung des Abgeschichteten am Nachlass den verbleibenden Miterben an. Da es sich beim Ausscheiden aus der Erbengemeinschaft durch Abschichtung um keine rechtsgeschäftliche Übertragung des Erbteils handelt, ist § 2033 BGB nicht anwendbar ist. Im Beispiel: Im Moment, in dem der Onkel im Grundbuch als Alleineigentümer eingetragen wird, bewirkt die Erklärung im Abschichtungsvertrag, dass er zu diesem Zeitpunkt aus der Erbengemeinschaft ausscheidet.
Wenn es im Beispielsfall geheißen hätte, der Onkel scheide 14 Tage nach der notariellen Beurkundung des Abschichtungsvertrags (siehe Rdn 329) aus der Erbengemeinschaft aus, und wenn dann die "Übereignung" (von der Gesamthand auf den Alleineigentümer) noch nicht im Grundbuch gewahrt ist, so wird das Grundbuch unrichtig, der Abgeschichtete ist nicht mehr (Mit-)Eigentümer des Grundstücks.
Rz. 332
Der Vollzug des schuldrechtlichen Abschichtungsvertrags hinsichtlich der Leistung der Abfindung an den Abzuschichtenden, also im Beispiel: Die Übereignung des Grundstücks an den Onkel, geschieht gleichermaßen seitens jeden einzelnen Miterben als Mitglied der Erbengemeinschaft, also durch gleichgerichtete, parallele Erklärungen (siehe Rdn 182). Die Miterben "übertragen" das dem Onkel bereits als ganzes (nicht nur zu einem Teil; vgl. § 2033 Abs. 2 BGB) zur gesamten Hand gehörende Grundstück gemäß §§ 873, 925 BGB, also durch Auflassung, auf den Onkel zu Alleineigentum (ohne die gesamthänderische Bindung). Dass es sich um Gesamthandseigentum der Miterben handelt, bewirkt nicht, dass sich die Erklärungen der Miterben gegeneinander richten; sie richten sich vielmehr an den ausscheidenden Miterben. Einer stillschweigenden Einigung untereinander bedarf es nicht. Der Onkel wirkt – weil er noch nicht aus der Erbengemeinschaft ausgeschieden ist – bei der Auflassung auf beiden Seiten des Vertrags mit. Damit sind alle einverstanden. Der gesetzliche Vertreter kann für sich wie für die von ihm vertretenen Kinder dies dem Onkel gestatten (§ 181 BGB). Die Erklärungen werden im Übrigen in Erfüllung des schuldrechtli...